Leitsatz
Art. 4 Absätze 1 und 3 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass derjenige, der seine wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hat, aber für die Räume, die er für diese Tätigkeit genutzt hatte, wegen einer Unkündbarkeitsklausel im Mietvertrag weiterhin Miete und Nebenkosten zahlt, als Steuerpflichtiger im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist und die Vorsteuer auf die entsprechenden Beträge abziehen kann, soweit zwischen den geleisteten Zahlungen und der wirtschaftlichen Tätigkeit ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht und feststeht, dass keine betrügerische oder missbräuchliche Absicht vorliegt.
Problematik
Eine KG in Dänemark, die ein Restaurant betrieb, mietete ab 1988 Räume für eine Laufzeit von 10 Jahren ohne vorherige Kündigungs- oder Auflösungsmöglichkeit. Ende 1993 stellte die KG den Betrieb ein, die gemieteten Räume blieben ungenutzt. Der Vermieter widersetzte sich unter Berufung auf den Vertrag der Auflösung.
Seither machte die KG die Mehrwertsteuer aus den Mietrechnungen und den Unterhaltungsaufwendungen geltend. Die Finanzverwaltung lehnte den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf die Beendigung der Unternehmereigenschaft ab. Die Sache wurde dem EuGH vorgelegt (s. Leitsatz).
Konsequenzen für die Praxis
Der EuGH verwies auf den Grundsatz, dass die Einstufung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) vom Vorliegen einer sog. wirtschaftlichen Tätigkeit (Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie) abhängt (diese verlangt grundsätzlich entgeltliche Leistungstätigkeit, Art. 2, mit besteuerten Umsätzen, Art. 17). Nur deshalb wird dem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug zuerkannt. Zur wirtschaftlichen Tätigkeit gehören bereits Vorbereitungshandlungen in der Absicht, besteuerte Umsätze auszuführen.
Wie der EuGH im vorliegenden Fall ausführt, sind auch Zahlungen nach Einstellung der werbenden (Umsatz-)Tätigkeit als Bestandteil der wirtschaftlichen Tätigkeit anzusehen, um die Neutralität der Mehrwertsteuer zu gewährleisten. Daraus folgt das Recht auf Vorsteuerabzug (grundsätzlich) auch für die nachträglich bleibenden Mietaufwendungen, weil während der gesamten Unkündbarkeitszeit "ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Räumen und der wirtschaftlichen Tätigkeit", d. h. dem Restaurant, bestand. Betrügerische und missbräuchliche Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs müssen ausgeschlossen sein.
Grundsatz bleibt, dass der unmittelbare Zusammenhang eines bestimmten Eingangsumsatzes mit Ausgangsumsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, dadurch belegt wird, dass der Eingangsumsatz in die Kosten (anschließender, mit Hilfe des Eingangsumsatzes ausgeführter) Ausgangsumsätze eingeht. Demgemäß hat der BFH den Vorsteuerabzug aus Sanierungsleistungen für ein kontaminiertes Grundstück eines stillgelegten Unternehmens (mit damaligen steuerpflichtigen Umsätzen) versagt, wenn die Sanierung dem späteren Grundstücksverkauf (also einem steuerfreien Umsatz mit Vorsteuerausschluss) diente.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 3.3.2005, Rs. C-32/03, - I/S Fini -.