Leitsatz
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Sachverhalt
F (Sitz in den Niederlanden) bezog Computerteile von in Italien ansässigen Lieferern und verkaufte sie an Abnehmer in Zypern mit griechischem Stellvertreter. Die Waren wurden direkt nach Spanien befördert. Die Lieferer wiesen keine Umsatzsteuer aus und gaben die niederländische USt-IdNr. von F an. F verwendete für die Lieferungen die griechische USt-IdNr. der Abnehmer, erklärte den innergemeinschaftlichen Erwerb und zog sofort Vorsteuer ab. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug.
Entscheidung
Verwendet der Erwerber für den innergemeinschaftlichen Erwerb, der im (anderen) Mitgliedstaat des Endes der Beförderung zu besteuern ist, eine USt-IdNr., unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb auch im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. der Erwerbsteuer. Diese ist nicht als Vorsteuer abziehbar, sondern – nach erbrachtem Nachweis der Besteuerung im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung – ist die Bemessungsgrundlage insoweit zu vermindern. Der Unternehmer kann hinsichtlich des erforderlichen Nachweises nicht auf die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rats vom 7.10.2003 (ABl. L 264, S. 1) und damit auf die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung verweisen. Diese dient nicht dazu, die Nachweise zu ermitteln, wenn der Steuerpflichtige dazu selbst nicht in der Lage ist.
Hinweis
Fraglich war, ob einem Steuerpflichtigen der sofortige Vorsteuerabzug zusteht, wenn er
- einen Gegenstand, der ihm aus dem Mitgliedstaat A in den Mitgliedstaat C geliefert wird, unter Verwendung einer ihm vom Mitgliedstaat D erteilten USt-IdNr. innergemeinschaftlich erworben hat, und
- die Besteuerung dieses innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nicht nachgewiesen hat.
Nach Art. 28b Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL gilt grundsätzlich als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden. Hat der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine USt-IdNr. verwendet, fingiert Art. 28b Teil A Abs. 2 S. 1 der 6. EG-RL, dass dieser Erwerb zusätzlich in dem Mitgliedstaat zu besteuern ist, der dem Unternehmer die von ihm verwendete USt-IdNr erteilt hat. Die Regelung soll sicherstellen, dass Umsatzsteuer auf den fraglichen Erwerb erhoben wird. Zu einer Doppelbesteuerung soll es jedoch nicht kommen.
Um die Erwerbsteuer im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr und im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung zu vermeiden, muss der Unternehmer nachweisen, dass der Erwerb im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung besteuert worden ist. Hierfür gibt es 2 Alternativen:
- Der Erwerber weist nach, dass der Erwerb für Zwecke einer nachfolgenden Lieferung im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung erfolgt ist, für die der Empfänger als Steuerschuldner bestimmt worden ist, und dass der Erwerber seiner Erklärungspflicht nachgekommen ist.
- Wird der Erwerb im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung besteuert, nachdem er im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. besteuert worden ist, gilt eine Sonderregelung: Die Besteuerungsgrundlage im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. ist entsprechend zu verringern, sobald der Erwerber nachweist, dass der Erwerb im Mitgliedstaat des Endes der Beförderung besteuert worden ist.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 22.04.2010, C-536/08, C-539/08 - X und Facet BV/Facet Trading BV.