Leitsatz
Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass sie auf die Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen nicht anwendbar sind, die dem Unternehmen für die Zwecke anderer als der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen zugeordnet sind, sodass die Mehrwertsteuer, die aufgrund des Bezugs dieser für solche Umsätze verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet wird, nicht abziehbar ist.
Normenkette
Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL (vgl. Art. 26, Art. 167 ff., § 3 Abs. 9a MwStSystRL), § 15 Abs. 1 UStG)
Sachverhalt
Die VNLTO förderte die Interessen des Agrarsektors. Ihre Mitglieder – im Agrarsektor tätige Unternehmen – zahlen an sie Beiträge, von denen der größte Teil für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer Interessen bestimmt ist. Daneben erbringt die VNLTO gegen gesondert berechnetes Entgelt ihren Mitgliedern – und auch Dritten – eine Reihe individueller Dienstleistungen, für die sie eine gesonderte Vergütung berechnet.
Die. VNTLO machte auch die Vorsteuerbeträge geltend, die den Bezug von Leistungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder betrafen.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Nach der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 13.03.2008, Rs. C-437/06 – Securenta – (BFH/NV Beilage 2008, 207, BFH-PR 2008, 316) ist die vorliegende Entscheidung des EuGH nicht überraschend. Dieses Urteil war aber noch nicht in der Welt, als das Vorabentscheidungsersuchen eingereicht worden war.
Hinweis
Das Verfahren betrifft die Frage, ob ein Unternehmer nicht nur Investitionsgüter, sondern alle Gegenstände und Dienstleistungen, die sowohl für Zwecke des Unternehmens als auch für unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die beim Erwerb dieser Gegenstände und der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer sofort und vollständig abziehen kann.
1. Der Unternehmer (Steuerpflichtiger i.S.d. 6. EG-RL) soll nur dann durch Vorsteuerabzug von der Steuer entlastet werden, sofern er die bezogenen Leistungen für Tätigkeiten verwendet, die der Mehrwertsteuer unterliegen. Hat der Unternehmer einen Gegenstand, der auch für unternehmensfremde Zwecke i.S.d. Entnahmeregelungen (Verwendung für private Zwecke oder für den Bedarf des Personals (vgl. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL) verwendet werden soll, zulässigerweise ganz dem Unternehmen zugeordnet, erfolgt die erforderliche Vorsteuerkorrektur durch die Besteuerung der unternehmensfremden Verwendung.
2. Nicht wirtschaftliche Tätigkeiten fallen – wie der EuGH betont – aber von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Die Verwendung von Leistungen für eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit ist deshalb keine unternehmensfremde Verwendung i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Buchst. a. der 6. EG-RL. Ein Vorsteuerabzug scheidet deshalb insoweit von vornherein aus.
3. Die Überlegung, soweit ein Unternehmer nicht steuerbare Tätigkeiten ausübe, handele es sich um Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer, war auch thematisiert worden bei der Frage nach dem Leistungsort beim Bezug von Leistungen durch einen Unternehmer, der die Leistungen für seine nicht steuerbare Tätigkeit verwendet (EuGH, Urteil vom 06.11.2008, Rs. C-291/07 – Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrådet –, BFH/NV 2009, 109, BFH/PR 2009, 67). Dort hat der EuGH entscheidendes Gewicht dem Umstand beigemessen, dass es sich bei den Regelungen über den Leistungsort um Konfliktregeln handelt, die vermeiden sollen, dass ein Umsatz doppelt oder gar nicht besteuert wird. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit für den Dienstleistenden folgend hatte er auch entschieden, dass ein Steuerpflichtiger (Unternehmer), der gleichzeitig wirtschaftliche Tätigkeiten und außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts liegende (nicht steuerbare) Tätigkeiten ausübt, als Steuerpflichtiger (Unternehmer) anzusehen ist, selbst wenn die bezogenen Leistungen nur für Zwecke der nicht steuerbaren Tätigkeiten genutzt werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 12.02.2009, C-515/07