Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Auslegung von Artikel 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, und zwar um die Frage, wie der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs festzulegen ist.
Die Klägerin, ein portugiesisches Bauunternehmen, bewirkte sowohl steuerpflichtige Umsätze (steuerpflichtige Werklieferungen von Gebäuden) als auch steuerfreie Umsätze (steuerfreie Gebäudelieferungen). Die portugiesische Steuerbehörde hatte bei der Festlegung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs die Kosten der Klägerin für noch nicht abgeschlossene, d.h. noch nicht ausgeführte und noch nicht bezahlte Umsätze in den Nenner des Pro-rata-Bruchs einbezogen. Dies hatte zu einer Verringerung des Vorsteuerabzugs der Klägerin geführt.
Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob dies zulässig war bzw. wie Artikel 19 der 6. EG-Richtlinie auszulegen ist.
Entscheidung
Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs ermittelt sich nach Artikel 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie aus einem Bruch, der im Zähler den Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze enthält und im Nenner die Summe aller (vorsteuerschädlicher und vorsteuerunschädlicher) Umsätze. Nach Artikel 19 Abs. 1, 2. Gedankenstrich, 2. Satz der Richtlinie können die Mitgliedstaaten in den Nenner zwar auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Buchst. a genannt sind, d.h. nicht steuerbare Zuschüsse. Die Vorgehensweise der portugiesischen Steuerverwaltung, dass auch dem Steuerpflichtigen entstandene Kosten, die noch nicht in Form der Gegenleistung eines Ausgangsumsatzes ausgeglichen worden sind, in den Nenner des Bruches einbezogen werden können, lässt Artikel 19 nach dem EuGH-Urteil nicht zu.
Hinweis
Der Vorsteuerabzug knüpft nach der Entscheidung außer bei Anzahlungen an die tatsächliche Ausführung eines Umsatzes an. Diese allgemeine Regel gilt auch für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs. Von daher ist es unzulässig, dass bei der Bestimmung des Umfangs des Vorsteuerabzugs noch nicht erbrachte Umsätze berücksichtigt werden, die später möglicherweise nicht ausgeführt werden. Soweit für noch nicht abgeschlossene Arbeiten vom Unternehmer noch keine Rechnung ausgestellt wurde oder noch keine Anzahlungen erfolgt sind, stellen die nicht abgeschlossenen Arbeiten weder von dem Unternehmer bereits erbrachte Übertragungen von Gegenständen oder Dienstleistungen noch einen anderen Vorgang dar, der den Steueranspruch auslöst, auf dessen Basis der Pro-Rata-Satz des Vorsteuerabzugs zu ermitteln ist.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 26.05.2005, C-536/03