Leitsatz
Für den Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der 6. EG-RL ist Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann.
Normenkette
Art. 17 der 6. EG-RL (§ 15 UStG)
Sachverhalt
Die Terra-GmbH begehrte die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 (Streitjahr) und Anerkennung weiterer Vorsteuerbeträge, nachdem sie für bereits 1999 bezogene Leistungen schließlich im Januar 2000 die Rechnung erhalten hatte.
Das FA lehnte ab, weil diese Vorsteuerbeträge erst im Jahr des Erhalts der Rechnung abziehbar seien. Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2001, 601).
Entscheidung
Der EuGH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben; nun wird der BFH den Fall entscheiden.
Hinweis
Der BFH hatte mit Beschluss vom 23.1.2002, V R 84/99, BFH-PR 2002, 264 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Steuerpflichtige das Recht auf Vorsteuerabzug nur mit Wirkung für das Kalenderjahr ausüben kann, in dem er gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL die Rechnung besitzt oder ob die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug stets für das Kalenderjahr (auch rückwirkend) gilt, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug gem. Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-RL entsteht. Vieles sprach für die erstere Variante; die deutsche Fassung der Richtlinie war insoweit nicht ganz eindeutig und der Umstand, dass der EuGH den Zeitpunkt der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug so betont hatte, gab zu Zweifeln Anlass. Die räumt der EuGH aus:
- Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht zwar, wenn der Steueranspruch entsteht: Also sobald die Dienstleistung oder Lieferung bewirkt wird (Rz. 31).
- Die Ausübung des Rechts ist aber an den Besitz der Originalrechnung oder des Dokumentes geknüpft, das nach den vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann (Rz. 32).
- Diese Auslegung entspricht auch dem Grundsatz, dass das Vorsteuerabzugsrecht als integrierender Bestandteil der Mehrwertsteuer nicht eingeschränkt werden darf, sowie dem Neutralitätsgrundsatz und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; denn auch diese Grundsätze gehen davon aus, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich keine Zahlung leistet und damit auch kein Grund für die Minderung der geschuldeten Umsatzsteuer um die bereits selbst gezahlte Vorsteuer besteht (Rz. 35, 36, 37); das Erfordernis des Besitzes der Rechnung dient im Übrigen auch dem Ziel der Richtlinie, die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung sicherzustellen (Rz. 37).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.4.2004, Rs. C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel GmbH