Kommentar
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob Vorsteuern, die im Zusammenhang mit der als Unternehmensübertragung im Sinne von Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie zu wertenden Übertragung eines Geschäftsgrundstücks anfallen, abgezogen werden können, wenn der Mitgliedstaat von Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch gemacht hat und die Übertragung des Geschäftsgrundstücks ein nicht steuerbarer Umsatz ist.
Der EuGH hat entschieden, dass dem Unternehmer auch in einem solchen Fall grundsätzlich der Vorsteuerabzug zusteht. Der Gerichtshof unterscheidet zwei Ausgangssituationen, die zum Vorsteuerabzug führen können. Zum einen wird dieser eröffnet, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen besteht, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Der Vorsteuerabzug ist also dann gegeben, wenn mit der Steuer belastete, in Anspruch genommene Lieferungen oder Dienstleistungen unmittelbar einem steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsumsatz zugeordnet werden können, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Von dieser Situation ist bei einer nicht steuerbaren Geschäftsübertragung bzw. nicht steuerbaren Veräußerung eines einzelnen Geschäftsgrundstücks nach dem Urteil allerdings nicht auszugehen. Nach der Entscheidung kann das Vorsteuerabzugsrecht nicht mit der Begründung hergeleitet werden, wenn ein Mitgliedstaat von dem Wahlrecht nach Art. 5 Abs. 8 keinen Gebrauch mache und die Geschäftsübertragung als umsatzsteuerbar (und steuerpflichtig) behandle, sei der Vorsteuerabzug ohnehin gegeben und dies müsse dann auch für den nicht steuerbaren Fall gelten. Hier hebt der EuGH entgegen seiner sonstigen Art auf den Wortlaut von Artikel 17 Abs. 2 des 6. EG-Richtlinie ab, der von besteuerten (Ausgangs-)Umsätzen als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs spricht. Eine nach Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie nicht steuerbare Geschäftsübertragung ist für den EuGH eben kein besteuerter Umsatz im Sinne von Artikel 17 Abs. 2.
Der Vorsteuerabzug des Übertragenden ergibt sich nach dem Urteil (Randziff. 32) auch nicht daraus, dass der Empfänger der übertragenen Gegenstände diese zu Umsätzen nutzt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Es kommt nicht auf die Verhältnisse beim Empfänger, sondern auf die beim Übertragenden an.
Die zweite Ausgangssituation, die zum Vorsteuerabzug führen kann, ist nach der Entscheidung, dass die Eingangsumsätze zu den allgemeinen Kosten des Unternehmers gehören, die einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu der gesamten unternehmerischen Tätigkeit aufweisen. Auch in einem solchen Fall muss (vgl. insbesondere Randziff. 35) im Hinblick auf die Neutralität des Mehrwertsteuersystems der Unternehmer von den ihm in Rechnung gestellten Mehrwertsteuern entlastet werden. So wie Investitionskosten zur Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bereits zum Vorsteuerabzug berechtigen, gilt dies auch für Kosten im Zusammenhang mit der Beendigung dieser Tätigkeit. D.h., auch Aktivitäten des Unternehmers, die zur Beendigung seines Unternehmens führen, gehören noch zur unternehmerischen Tätigkeit und berechtigen grundsätzlich zum Vorsteuerabzug.
Der Umfang des Vorsteuerabzugs bestimmt sich unter dieser Prämisse danach, in welchem Umfang die allgemeinen Kosten der steuerpflichtigen bzw. vorsteuerunschädlichen steuerfreien Tätigkeit des Unternehmers zugeordnet werden können. Im Streitfall ist dies von dem Vorlagegericht zu ermitteln. Wenn die Veräußerungskosten einem Unternehmensteil zugerechnet werden können, der in vollem Umfang Umsätze erbracht hat, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, so steht dem Unternehmer für die gesamten Veräußerungskosten der Vorsteuerabzug zu.
Das Urteil entspricht sowohl hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs als auch hinsichtlich des Umfangs m.E. der Auffassung nach deutschem Umsatzsteuerrecht. Im Falle der Veräußerung eines Geschäftsgrundstücks ist zu prüfen, in welchem Umfang das Grundstück vor seiner Veräußerung zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze bzw. von Ausschlussumsätzen verwendet wurde. Das Urteil sagt jedoch nichts darüber aus, für welchen vor der Veräußerung liegenden Zeitraum dies zu prüfen ist. Hier kann der Besteuerungszeitraum der Veräußerung, aber auch der gesamte Zeitraum der Verwendung des Grundstücks vor der Veräußerung in Betracht kommen (vgl. auch OFD Erfurt vom 25. April 1996, S 7300 A - 14 - St 34 -, UR 1996, 311).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 22.02.2001, C-408/98