Leitsatz
Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Kosten für Beratungsdienste, die ein Steuerpflichtiger zur Feststellung der Höhe einer Forderung, die zum Vermögen seines Unternehmens gehört und die mit einer vor Entstehung seiner Mehrwertsteuerpflichtigkeit erfolgten Veräußerung von Anteilen zusammenhängt, in Anspruch genommen hat, in Ermangelung von Nachweisen dafür, dass diese Dienste ihren ausschließlichen Grund in der von dem Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. 6. EG-RL haben, keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Tätigkeit aufweisen und folglich nicht zum Abzug der auf ihnen lastenden Mehrwertsteuer berechtigen.
Normenkette
Art. 17 Abs. 2 (UStG § 15) der 6. EG-RL
Sachverhalt
Investrand – bis 1993 eine Holding ohne wirtschaftliche Tätigkeiten – verkaufte Anteile an der Cofex. Das Entgelt war abhängig von der Höhe des Gewinns der Jahre 1989 bis 1993. Ab 1993 war sie entgeltlich für Cofex tätig. Wegen eines Rechtsstreits mit dem Erwerber wegen der Höhe des Gewinns 1992 (also des Kaufpreises) ließ sie ein Rechtsgutachten erstellen und machte 1996 die Vorsteuer daraus geltend.
Entscheidung
Der EuGH zog eine deutliche Grenze: Allein der Verkauf von Anteilen ist keine wirtschaftliche Tätigkeit. Demzufolge hängen auch die mit dem Streit um die Höhe der Forderung zusammenhängenden Handlungen nicht mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammen – anders als bei der Einziehung von Forderungen durch ein Factoring-Unternehmen, bei dem Kauf und Einziehung der Forderung wesentliches Element der unternehmerischen Tätigkeit selbst ist.
Nicht ausreichend für die Annahme eines unmittelbaren und direkten Zusammenhangs ist der Umstand, dass es sich um eine Forderung handelt, die – letztlich – Basis für eine später aufgenommene unternehmerische Tätigkeit ist. Ist nicht eine konkrete wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit ausschließlicher Entstehungsgrund für die Aufwendungen, scheidet ein Vorsteuerabzug auch unter dem "Gemeinkosten"-Aspekt aus.
Hinweis
1. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang zwischen den bezogenen Dienstleistungen und Gegenständen und den mit ihnen zu tätigenden Umsätzen. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen wird auch dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen oder Lieferungen zu den allgemeinen Aufwendungen (Gemeinkosten) gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind, also mit der Gesamttätigkeit des Unternehmers zusammenhängen.
Der Besprechungsfall betrifft den "direkten und unmittelbaren Zusammenhang" bei Beratungsleistungen.
2. Kauf oder Verkauf von Anteilen an einem Unternehmen sind – wenn sie nicht unmittelbar mit einer unternehmerischen Tätigkeit zusammenhängen – grundsätzlich keine wirtschaftlichen Tätigkeiten. Deshalb sind Vorsteuerbeträge für den Bezug von Leistungen im Zusammenhang mit Kauf oder Verkauf von Anteilen (z.B. Beratungsleistungen) nicht abziehbar, weil sie allein die Inhaberschaft einer Forderung betreffen.
Besteht kein Anhaltspunkt für eine wirtschaftliche Tätigkeit – wie z.B. bei einer reinen Holdinggesellschaft –, berechtigt deshalb der Bezug von Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung einer Beteiligung nicht zum Vorsteuerabzug, auch wenn später eine wirtschaftliche Tätigkeit mit der betreffenden Gesellschaft aufgenommen wird. Zwar sind auch Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Tätigkeit anfallen, abziehbar. Auch das setzt jedoch voraus, dass ein hinreichend konkreter unmittelbarer und direkter Bezug zu einer beabsichtigten Tätigkeit objektiv erkennbar wird. Im Fall Kretztechnik (Rs. C-465/03, BFH-PR 2005, 333) betrafen die Beratungsleistungen die Vorbereitung der Börseneinführung eines Unternehmens mit steuerpflichtigen Umsätzen. Unter diesen Umständen dienen die Beratungsleistungen der wirtschaftlichen Tätigkeit, weil sie – ähnlich wie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem betrieblichen Kredit – zu den allgemeinen Kosten des Unternehmens gehören (Kapitalausstattung für die Tätigkeit).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 8.2.2007, Rs. C-435/05 – Investrand BV –