Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um Fragen der Auswirkung insbesondere der EuGH-Urteile vom 26.5.2005, C-465/03 (Kretztechnik) und vom 26.6.2003, C-305/01 (MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring). Streitig war, ob Vorsteuerbeträge auch dann abziehbar sind (weil sie entweder mit spezifischen Ausgangsumsätzen oder direkt mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens zusammenhängen), wenn die Aufwendungen sich zwar auf das Vermögen des Unternehmens beziehen, jedoch vor Beginn der Unternehmereigenschaft entstanden sind.
Der Klägerin, eine 1986 gegründete niederländische Holding, hielt Anteile an einer anderen niederländischen Gesellschaft (C), die sie 1989 auf eine dritte Gesellschaft (H) übertrug. Bei diesem Anteilsverkauf wurde vereinbart, dass die Klägerin neben einem Festpreis eine weitere Vergütung erhalten sollte, die von der Gewinnentwicklung der Gesellschaft C in den Jahren 1989 bis 1992 abhängig sein sollte. Bis zum 31.12.1992 betätigte sich die Klägerin unstreitig als reine Holding, die nach der EuGH-Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil v. 20.6.1996, C-155/94 (Wellcome Trust)) keine Unternehmereigenschaft besitzt. Erst ab dem 1.1.1993 betätigte die Klägerin sich unternehmerisch, indem sie Managementleistungen an die Gesellschaft C gegen Entgelt erbrachte. Bei der Berechnung der gesonderten Vergütung für den Anteilsverkauf der Klägerin kam es zu Streitigkeiten mit der Gesellschaft H. Diese führten zu einem Schiedsgerichtsverfahren, in dessen Verlauf der Klägerin Rechtsberatungskosten entstanden. Für die darauf lastende Umsatzsteuer machte die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend. Die niederländische Finanzbehörde versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Rechtsberatungskosten seien der Klägerin nicht im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit entstanden.
Entscheidung
Der EuGH hat den Standpunkt der niederländischen Verwaltung und den Ausschluss des Vorsteuerabzugs in einem solchen Fall bestätigt. Er bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, wonach das Recht auf Vorsteuerabzug alternativ nach folgenden Kriterien gegeben sein kann:
- Es besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen (vgl. z.B. EuGH, Urteil v. 3.3.2005, C-32/03 (Fini H);
- Bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen: die Kosten für die fraglichen Eingangsleistungen gehören zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens und sind - als solche - Bestandteile des Preises der von ihm bewirkten Umsätze. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmens zusammen (vgl. z.B. EuGH, Urteil v. 26.5.2005, C-465/03 (Kretztechnik)).
Nach der Entscheidung waren beide Kriterien im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Ein direkter Zusammenhang der Rechtsberatungskosten mit einem Ausgangsumsatz war nicht gegeben, weil der Verkauf der Gesellschaftsanteile keine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit war. Gleiches gilt nach dem Urteil für die Anstrengungen der Klägerin zur Sicherung ihrer Forderung aus der ihr eingeräumten Sondervergütung. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt in der EuGH-Sache C-305/01 (MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring), in dem es um den Ankauf und Einzug fremder Forderungen ging, sei die Klägerin - so der EuGH - auf eigene Rechnung tätig geworden. Sie habe damit keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.
Auch ein Zusammenhang der Kosten für die Rechtsberatungsleistungen mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin lag nicht vor. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kosten entstanden, war die Klägerin nicht Unternehmer. Für die Herstellung des notwendigen Zusammenhangs mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit genügt es nicht, dass die Forderung der Klägerin zu ihrem Vermögen (und damit ihrem späteren Unternehmensvermögen) gehörte. Die Klägerin hätte - so der EuGH - die Anstrengungen zur Durchsetzung ihrer Forderung in jedem Fall unternommen, unabhängig davon, ob sie seinerzeit unternehmerisch tätig gewesen wäre oder nicht. Der EuGH fordert somit für das Vorhandensein eines Zusammenhangs von Eingangsleistungen mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmens einen Kausalität dergestalt, dass die Kosten für die Eingangsleistungen ausschließlich ihren Entstehungsgrund in der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit haben (so wie dies in der Rechtssache C-465/03 (Kretztechnik) der Fall war).
Hinweis
Folge der Entscheidung ist, dass Eingangskosten von reinen Holdinggesellschaften, auch wenn sie sich auf deren Vermögen oder Forderungen beziehen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Der Vorsteuerabzug ist jedoch dem Grunde nach gegeben, wenn im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit Kosten für die Durchsetzung von Forderungen entstehen, da diese Kosten im Zweifel durch die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit veranlasst sind.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urt...