Leitsatz
Eine allein mit dem Ziel der Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft ist zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen berechtigt, wenn entsprechend ihrem Gesellschaftszweck ihr einziger Ausgangsumsatz die Übertragung der bezogenen Leistungen mittels eines Aktes gegen Entgelt an die Kapitalgesellschaft nach deren Gründung war und wenn (weil der betreffende Mitgliedstaat von der in den Artikeln 5 Absatz 8 und 6 Absatz 5 der 6. EG- Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat), die Übertragung des Gesamtvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung oder Dienstleistung vorliegt.
Problematik
Nach deutschem Zivilrecht erfolgt die Gründung einer AG zunächst durch Bildung einer Vorgründungsgesellschaft (GbR), auf diese folgt die Gründungsgesellschaft, die in die Kapitalgesellschaft übergeht. Da zwischen Vorgründungsgesellschaft einerseits und Gründungsgesellschaft bzw. Kapitalgesellschaft andererseits zivilrechtlich eine Rechtsnachfolge verneint wird, muss die Vorgründungsgesellschaft die von ihr erworbenen Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten gesondert auf die Kapitalgesellschaft übertragen - umsatzsteuerrechtlich also durch Lieferung bzw. sonstige Leistung. Da nur diese einmalige Umsatztätigkeit vorliegt, versagte die Finanzverwaltung mangels nachhaltiger Tätigkeit die Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft und damit auch deren Vorsteuerabzug aus ihren Investitionen. Diese unbefriedigende Folge des deutschen Zivilrechts spielt nach den Grundsätzen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems keine Rolle (siehe Leitsatz).
Konsequenzen für die Praxis
Da Deutschland in § 1 Abs. 1a UStG die Geschäftsveräußerungsumsätze richtlinienkonform als nichtsteuerbar regelt und den Erwerber als Rechtsnachfolger des Veräußerers behandelt, kommt es bei der – für den Vorsteuerabzug der Vorgründungsgesellschaft bei Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen maßgebenden – Verwendungsabsicht der Vorgründungsgesellschaft auf die von der Kapitalgesellschaft vorgesehene Tätigkeit als Unternehmer an.
Die Investitionen der Vorgründungsgesellschaft zielen allein auf die damit später durch die Kapitalgesellschaft bewirkten Umsätze ab. Sind diese steuerpflichtig, besteht das Vorsteuerabzugsrecht.
Das Vorsteuerabzugsrecht steht der Vorgründungsgesellschaft zu (nicht der Kapitalgesellschaft). Sie gilt als Unternehmerin, bis das Steuerschuldverhältnis abgewickelt ist, d. h. sie hat die Steueranmeldung abzugeben, ein Bescheid ist an sie zu richten. Vorsichtshalber kann ggf. auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet werden (vgl. zur Thematik auch Unternehmensgründung).
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 29.4.2004, Rs. C-137/02,- Faxworld-, BFH/NV Beilage 2004 S. 225.