Leitsatz
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob das Vereinigte Königreich ermächtigt war, aufgrund von Artikel 11 Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie bzw. Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie beim Erwerb von Kraftfahrzeugen auch dann den Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn die Fahrzeuge nur unternehmerisch genutzt werden. Einigkeit bestand darüber, daß die Mitgliedstaaten nach Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie keine Vorsteuerausschlüsse beibehalten dürfen, die nicht bereits nach Artikel 11 Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie zulässig waren.
Seit 1973 ist im Vereinigten Königreich aufgrund einer Reihe von Verordnungen (sog. Cars Orders) der Vorsteuerabzug beim Erwerb von Kraftfahrzeugen ganz oder teilweise ausgeschlossen, was auf Artikel 11 Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie bzw. Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie beruht.
Die Kläger meinten, die sog. Stand-still-Klausel des Artikels 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie sei für die Mitgliedstaaten nicht mehr bindend, nachdem der Rat sich binnen der 4-Jahresfrist nicht auf eine Harmonisierung des Vorsteuerabzugs geeinigt habe.
Der Umfang des Vorsteuerabzugs ist innerhalb der EU noch nicht vollständig harmonisiert. Eine gemeinschaftsrechtliche Regelung sollte ursprünglich bereits in der 6. EG-Richtlinie vom 17. Mai 1977 getroffen werden. Die EU-Kommission hatte seinerzeit vorgeschlagen, bei betrieblichen Ausgaben für Unterbringung und Beherbergung, für die Bewirtung mit Speisen und Getränken sowie für die Beförderung von Personen den Vorsteuerabzug auszuschließen. Der Vorschlag war von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten befürwortet, von der damaligen Bundesregierung jedoch – in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat – abgelehnt worden. Da eine kurzfristige Einigung nicht möglich erschien, die 6. EG-Richtlinie aber wegen des Zusammenhangs mit den eigenen Einnahmen der EU aus der Mehrwertsteuer schnellstens verabschiedet werden mußte, wurde die Streitfrage seinerzeit ausgeklammert und die Regelung gem. Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie mit seiner Stand-still-Klausel eingeführt.
Bis zur Harmonisierung des Vorsteuerabzugs dürfen die Mitgliedstaaten nach dem EuGH-Urteil weiterhin von der Stand-still-Klausel nach Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch machen, auch wenn der Vorsteuerausschluß Gegenstände betrifft, die ausschließlich unternehmerisch genutzt werden. können. Der EuGH bestätigt seine Entscheidung vom 18.6.1998, C-43/96, dass sich nach dem Wortlaut von Artikel 17 Abs. 6 die Harmonisierung der Vorsteuerausschlüsse nicht von vornherein auf Ausgaben ohne streng geschäftlichen Charakter beschränken muß. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten alle bei Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie wirksamen Vorsteuerausschlüsse beibehalten, also auch solche bei rein unternehmerisch veranlaßten Ausgaben.
Im Gegensatz zu seinem Urteil vom 18.6.1998, C-43/96 geht der EuGH auch auf die Vier-Jahresfrist in Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie ein. Die Frage, ob die Stillhalteverpflichtung nach Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht mehr bindet, nachdem der Rat sich trotz jahrelanger Verhandlungen nicht auf eine Harmonisierungsregelung einigen konnte, war schon in der Vergangenheit wiederholt gestellt worden. Für die mit Wirkung vom 1. Januar 1995 durch die Richtlinie 94/5/EG des Rates vom 14. Februar 1994 (sog. 7. Richtlinie) aufgehobene Stand-still-Klausel von Artikel 32 der 6. EG-Richtlinie hatten die Rechtsdienste der Kommission und des Rates die Auffassung vertreten, daß – bis zum Ergehen der 7. Richtlinie – nationale Vorgriffsmaßnahmen nicht zulässig seien.
In seinem Urteil vom 5. 12. 1989, 165/88 hatte der EuGH entschieden, daß die Stillhalteregelung in Artikel 32 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht verpflichte, eine Sonderregelung für die Umsatzbesteuerung von Gebrauchtwagen einzuführen. Die Stillhalteverpflichtung bestehe ungeachtet dessen weiter, daß die EU-Kommission ihren Vorschlag zur 7. Richtlinie im November 1987 wieder zurückgezogen habe. Der EuGH ließ allerdings offen, ob er einen Verstoß gegen die Stillhalteverpflichtung sanktionieren würde, wenn sich eine neue nationale Sonderregelung an der Grundlage eines Richtlinienvorschlages der EU-Kommission orientiere. Mit Bezug auf dieses Urteil hält der EuGH die Stand-Still-Klausel in Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie auch nach dem Ablauf der 4-Jahresfrist für weiterhin anwendbar. Er hält sie auch offenbar deshalb für gerechtfertigt, um dem Rat in angemessener Frist eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen und während dieser Zeit die Harmonisierungsbestrebungen nicht durch Einführung neuer nationaler Sonderregelungen zu erschweren.
Die Entscheidung ist im übrigen ein weiteres Indiz dafür, dass die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten Vorsteuerausschlüsse in Deutschland mit Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nicht zu vereinbaren sind und gemeinschaftsrechtlich nur vertretbar wären, wenn es zu einer entsprechenden Ra...