Nachdem ich in der vorigen Auflage vorab darauf hingewiesen hatte/hinweisen musste, dass ich die Arbeiten an diesem Handbuch nicht mehr alleine "stemme" (dazu unten zur 9. Auflage), kann ich in dieser 10. Auflage zu Beginn im Wesentlichen das wiederholen, was ich seit der 1. Auflage an dieser Stelle formuliere:
Der Strafprozess wird für den Mandanten nicht erst in der Hauptverhandlung entschieden.
Vielmehr werden, worauf schon Karl Peters 1980 in seinem Geleitwort für die von Regina Lange durchgeführte Untersuchung von "Fehlerquellen im Ermittlungsverfahren" hingewiesen hat und, was auch heute noch gilt, die Weichen für einen für den Mandanten möglichst günstigen Ausgang des Strafverfahrens bereits im Ermittlungsverfahren gestellt. Fehler, die hier gemacht werden, können, auch wenn der Verteidiger und/oder das Gericht sie noch rechtzeitig vor Abschluss der Hauptverhandlung erkennen, häufig kaum noch berichtigt werden. Deshalb muss der Verteidiger in jedem Strafverfahren im Interesse seines Mandanten schon im Ermittlungsverfahren sowohl die rechtlichen als auch die (verfahrens-)taktischen Besonderheiten des Strafprozesses kennen und beachten.
Das vorliegende Handbuch will den Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren unterstützen. Es geht u.a. zurück auf Anregungen, die ich schon bald nach Erscheinen des (in Kürze in 11. Auflage vorliegenden) "Handbuchs für die strafrechtliche Hauptverhandlung" erhielt und die empfahlen, dem Strafverteidiger etwas Vergleichbares auch für das Ermittlungsverfahren an die Hand zu geben. Diese Anregungen haben mir damals Mut gemacht, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Mein Anliegen war/ist es, auch mit diesem Handbuch dazu beizutragen, die "richtige" Wahrheitsfindung im Strafprozess zu sichern. Das ist die Aufgabe, an der Gericht, Verteidiger und Staatsanwaltschaft gemeinsam teilhaben, wenn auch jeder an seinem Platz und jeder sicherlich unter "richtiger" Wahrheit etwas anderes versteht. Deshalb habe ich mich besonders über den Zuspruch gefreut, den die Vorauflagen dieses Handbuchs aus dem Kreis der Verteidiger, dem ehemaligen Kollegenkreis, vor allem aber auch von Staatsanwälten erfahren haben. Er zeigt mir, dass mein Anliegen verstanden worden und der eingeschlagene Weg der richtige ist. Ich hoffe, dass auch die nun vorliegende 10. Auflage dieses Handbuchs in gleichem Maße Anklang findet wie die Vorauflagen und auch meinen Mitautoren an diesem Zuspruch teilhaben werden.
Das Handbuch will allen Benutzern eine praktische Arbeitshilfe sein. Es wendet sich in erster Linie – ebenso wie das für die Hauptverhandlung – an den Strafverteidiger, und zwar sowohl an den erfahrenen Strafverteidiger als auch an den Berufsanfänger bzw. den Rechtsanwalt, der nicht so häufig mit Strafsachen zu tun hat. Darüber hinaus werden aber auch Richter oder Staatsanwälte hier die Lösung eines in der täglichen Praxis auftretenden Problems finden. Weil das Handbuch allen Benutzern eine praktische Arbeitshilfe sein soll, habe ich mich für die Darstellung in ABC-Form entschieden. Dies nicht nur, weil diese Darstellungsform bei dem "Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung" von Anfang an positiv aufgenommen worden ist. Grund war vielmehr auch, dass unter dem jeweiligen Stichwort i.d.R. alle damit zusammenhängenden (Rechts-)Fragen und Probleme geschlossen dargestellt werden können. Damit ist ein schnellerer Zugriff auf die gesuchte Antwort möglich als bei den sonst üblichen Darstellungsformen. Die z.T. sehr umfangreichen Rechtsprechungsnachweise, vor allem auch zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und der Landgerichte, sollen es jedem Benutzer ermöglichen, die Rechtsprechung "seines" OLG bzw. LG zu finden. Wegen der Einzelheiten der Benutzung des Handbuchs i.Ü. verweise ich auf die "Hinweise zur Benutzung des Handbuchs".
Ich habe mich von Anfang an bemüht, Überschneidungen mit dem "Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung" so weit wie möglich zu vermeiden. Bei den einzelnen Stichwörtern sind daher grundsätzlich immer nur die für das Ermittlungsverfahren bedeutsamen Fragen des jeweiligen Problems dargestellt. Überschneidungen haben sich jedoch nicht immer vermeiden lassen. So waren die Fragen, die z.B. mit der Ablehnung eines Richters zusammenhängen, auch schon im Ermittlungsverfahren zu behandeln, da sie auch dort praktische Bedeutung erlangen können. Entsprechendes gilt für die strafrechtliche Beurteilung des Verteidigerhandelns. Eine Verweisung auf die Darstellung im "Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung" habe ich zudem auch deshalb möglichst vermeiden wollen, weil ich dem Benutzer ein eigenständiges Arbeiten mit diesem Handbuch ermöglichen wollte, ohne ihn zu "zwingen", auch mein anderes Handbuch erwerben zu müssen.
Die erste Auflage dieses Handbuchs ist 1997 erschienen, die 9. Aufl. dann im Oktober 2022. Seitdem waren fast 25 Jahre vergangen, in denen sich nicht nur im Strafverfahren viel verändert hatte, sondern: Ich war auch älter geworden. Und dem "Alterungsprozess" ...