Nachdem ich in der vorigen Auflage vorab darauf hingewiesen hatte/hinweisen musste, dass ich die Arbeiten an diesem Handbuch nicht mehr alleine "stemme" (dazu unten zur 10. Auflage), kann ich in dieser Auflage zu Beginn im Wesentlichen das wiederholen, was ich seit der 1. Auflage an dieser Stelle formuliere:
Das Strafverfahren ist immer im Fluss. Zunächst ging es um die Versuche von Verteidigern/Angeklagten, sich im Strafverfahren, insbesondere auch in der Hauptverhandlung, mehr Einflussmöglichkeiten zu verschaffen. In den letzten Jahren ist/war dann deutlich, vor allem auch in der Rechtsprechung des BGH, zu erkennen, dass dieser bestrebt und bemüht ist, Verteidiger zu disziplinieren, indem, insbesondere im Beweisantragsrecht, in der StPO nicht vorgesehene "Fristenlösungen" und darauf aufbauende Präklusionen – inzwischen teilweise gesetzliche geregelt – normiert worden sind, die die nach Ansicht des BGH in manchen Fällen nicht hinnehmbare – angebliche – Flut von Beweisanträgen eindämmen sollen. Verstärkt – positiv wie negativ – worden ist dies durch die in der Rechtsprechung des BGH aufgekommene und fortgeführte Tendenz, den Strafverteidiger immer mehr auch für die Einhaltung des Verfahrensrechts (mit-)verantwortlich zu machen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang beispielhaft nur auf die Entscheidung des BGH zum Verwertungsverbot für Aussagen des nicht belehrten Beschuldigten im Ermittlungsverfahren (grundlegend BGHSt 38, 214), das dann nicht gelten soll, wenn die Aussage in Gegenwart eines Verteidigers gemacht wurde. Darauf baut die Rechtsprechung zur sog. "Widerspruchslösung" auf. Übersehen werden dürfen auch nicht die Bestrebungen des Gesetzgebers zur Stärkung des Opferschutzes: Das Opfer rückt im Strafverfahren immer mehr in den Mittelpunkt, immer weniger geht es um den Angeklagten. Dem steht eine "effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens" gegenüber, die an vielen Stellen zum Abbau von bzw. der Erschwerung der Durchsetzung von Verfahrensrechten des Angeklagten führt. Das setzt sich dann fort in einer (angeblichen) "Modernisierung" des Strafverfahrens, das man gerne auch "fortentwickelt".
In diesem Spannungsfeld muss der Strafverteidiger agieren und seinem Mandanten Beistand leisten. Das ist nicht immer einfach, weil gegenüber einem "engagierten Verteidiger" häufig (zu) schnell der Vorwurf der Konfliktverteidigung erhoben wird. In dem Zusammenhang wird der Verteidiger dann immer wieder gern an seine Stellung als "Organ der Rechtspflege" erinnert, die man, wenn es um gebührenrechtliche Fragen geht, häufig nicht so im Blick hat. Aber auch, wenn der Verteidiger also immer weiter – teilweise einschränkend – mit in die Pflicht genommen wird, bedeutet das nicht das Ende einer "engagierten Strafverteidigung". Diese nützt dem Angeklagten jedoch nur, wenn sie sich nicht in bloßer Aktivität erschöpft, sondern die strafprozessuale Klaviatur beherrscht und die der Verteidigung in der StPO immer noch eingeräumten gesetzlichen Möglichkeiten nutzt. Während meiner von 1981 bis Ende 1992 ausgeübten Tätigkeit als Beisitzer in einer großen Strafkammer und auch danach in der Zeit von Anfang 1995 bis Oktober 2008 als Mitglied eines Strafsenats beim OLG Hamm habe ich jedoch erfahren müssen, dass Verteidiger häufig wenig über ihre – ihnen von der StPO für die Hauptverhandlung eingeräumten – Möglichkeiten und Rechte wissen und sie deshalb dementsprechend häufig auch nicht zugunsten ihres Mandanten anwenden können. Erklären lässt sich dieses Defizit m.E. zum Teil damit, dass die zur Verfügung stehende strafprozessuale Literatur in der Vergangenheit i.d.R. meist das gesamte Strafverfahren erfasste und sich vornehmlich an Richter und Studenten und weniger an den Verteidiger wandte. Die strafrechtliche Hauptverhandlung aus der Sicht eines Strafverteidigers kam dabei zu kurz.
Mit der 1. Auflage des vorliegenden Handbuchs habe ich 1995 diese Lücke schließen wollen. Das ist, wie die schnelle Folge der Auflagen zeigt, m.E. gelungen. Mein Anliegen ist und war es, nicht nur das m.E. für eine erfolgreiche Strafverteidigung erforderliche Wissen über die strafrechtliche Hauptverhandlung zu vermitteln, sondern über dieses Grundwissen hinaus auch den einen oder anderen Tipp/Hinweis aus meiner langjährigen strafrichterlichen Tätigkeit an die Hand zu geben. Das Handbuch richtet sich daher nicht nur an den Berufsanfänger, sondern auch an den bereits erfahrenen Rechtsanwalt, der nur noch nicht so häufig oder jetzt wieder/erstmals die Aufgabe der Strafverteidigung übernommen hat, und soll helfen, die Hauptverhandlung (mit-)gestalten zu können. Darüber hinaus wird aber auch immer wieder versichert, dass das Handbuch auch demjenigen Rechtsanwalt, der mit den Fragen der Strafverteidigung bereits gut vertraut ist, noch Hilfestellung leisten kann. Schließlich finden auch Richter oder Staatsanwälte hier die schnelle Lösung eines in der täglichen Praxis auftretenden Problems. Ich hoffe, dass auch die nun vorliegende 11. Auflage...