Dr. Burmann, Dipl.-Phys. Klaus Schmedding
Zur Urteilsfindung in Verkehrsunfallangelegenheiten bedienen sich Juristen nicht selten (mehr oder minder) umfangreicher Rekonstruktionen bzw. Analysen technischer Sachverständiger. Diese Personengruppe kann also einen Verkehrsprozess (mit-)entscheiden.
Die Qualität der Begutachtungen hängt maßgeblich davon ab, über welche Fachkenntnisse und letztlich auch Erfahrungen der eingeschaltete Sachverständige verfügt. Dass er sich mit den aktuellen Entwicklungen in der Kraftfahrzeugtechnik wie aber auch den Rekonstruktionsmethoden vertraut machen muss, sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Nach den gesammelten Erfahrungen der Autoren ist dies aber nicht immer der Fall, da technische Sachverständige z.B. nicht selten bestrebt sind, ein einmal gefundenes und dem Gericht präsentiertes Ergebnis unter allen Umständen (auch nach Vorlage aussagekräftiger, gegenteiliger Expertisen) zu halten.
Der Jurist steht dann vor der nur schwer lösbaren Aufgabe, technisch Zutreffendes von Unzutreffendem zu unterscheiden. Genau hier soll das vorliegende Buch Hilfestellung geben, nämlich einerseits die Vorgehensweise der Verkehrssachverständigen zu erläutern und andererseits deren Ergebnisse kritisch zu prüfen. Es ist nämlich oftmals so, dass sich Unfallanalysen auf Lichtbildmaterial aus dem Akteninhalt stützen müssen, was z.B. bei unzureichender Fotoqualität bedeutet, dass auch die Aussagekraft von Rekonstruktionen abnimmt.
Selbst bei einem sehr gut dokumentierten Verkehrsunfallgeschehen sind stets Toleranzbreiten bei (quasi) allen verfügbaren Parametern anzusetzen, die in ihrer Summe dann dazu führen, dass nicht nur ein "unumstößliches Ergebnis" folgen kann. Technische Sachverhalte sind mithin stets mehr oder minder diskussionsfähig, was in einem objektiv rekonstruierten, wie aber auch so formulierten Gutachten zum Ausdruck kommen sollte.
Im Folgenden werden daher die gängigen Rekonstruktionspraktiken für häufig anzutreffende Unfallkonstellationen, aber auch – allerdings nur in begrenztem Umfang – theoretische Sachzusammenhänge vorgestellt, um dem Verkehrsrechtler die Möglichkeit zu geben, eingeholte unfallanalytische Gutachten vorab selbst zu prüfen. Dies eröffnet die Möglichkeit, vorliegende Gutachtenergebnisse kritisch zu hinterfragen und ggf. auch "auszuhebeln". Auf diese Möglichkeiten wird dann umfänglich im juristischen Teil des Buches eingegangen.
Genauso wie technischen Begutachtungen haftet auch diesem Buch nicht der Anspruch von "ultimativer Korrektheit" und insbesondere Vollständigkeit an. Es versteht sich von selbst, dass dieses Werk auch z.B. den rasanten Entwicklungstendenzen in der Kraftfahrzeugtechnik standhalten muss, weswegen auch eine fortlaufende Erweiterung/Ergänzung vorgesehen ist.
November 2014 |
Dr. Michael Burmann Dipl.-Phys. Klaus Schmedding |