In erster Linie betrifft § 37 Abs. 1 WHG zielgerichtete Maßnahmen, mit denen der Ablauf wild abfließenden Wassers zum Nachteil des Grundstücksnachbarn verändert wird.

Für die Praxis bedeutsamer sind aber bloß mittelbare Veränderungen des Wasserabflusses als Folge einer Änderung der wirtschaftlichen Nutzung von Grundstücken. Was das betrifft, so war nach früherem Recht in den Landes-Wassergesetzen von Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ausdrücklich geregelt, dass eine Veränderung des Wasserablaufs infolge veränderter wirtschaftlicher Grundstücksnutzung nicht unter das Veränderungsverbot fällt. Darüber hinaus hat der BGH für Rheinland-Pfalz, das keinen derartigen expliziten Ausschluss kannte, entschieden, dass trotz des Fehlens einer derartigen Ausschlussregelung die Änderung der wirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks grundsätzlich nicht vom Veränderungsverbot erfasst wird.[1] Ebenso hat das AG Schwalmstadt bezüglich der seinerzeitigen Rechtslage in Hessen entschieden.[2] Zur Begründung führen die Gerichte aus, dass die Rücksichtnahme bei wild abfließendem Wasser auf den Unterlieger nicht dazu führen soll, den Oberlieger an der Bewirtschaftung seines Grundstücks zu hindern. Vielmehr soll nach Auffassung des BGH durch das Verbot, den Abfluss des wild abfließenden Wassers zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks künstlich zu verändern, der Oberlieger nicht in seiner Dispositionsfreiheit allzu sehr eingeschränkt und ihm in der wirtschaftlichen Ausnutzung seines Grundstücks Bewegungsfreiheit gelassen werden.[3]

Dafür, dass diese Sichtweise auch für § 37 WHG zutrifft, spricht die Begründung zu dieser Vorschrift im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts, in der von unverschuldeten Veränderungen des Wasserabflusses in Abs. 2 im Gegensatz zu offensichtlich verschuldeten Veränderungen in Abs. 1 gesprochen wird.[4] Damit wird in Fortführung der Rechtsprechung des BGH zum Ausdruck gebracht, dass bloß mittelbare und nicht zielgerichtete Veränderungen des Wasserabflusses von den Veränderungsverboten des § 37 Abs. 1 WHG nicht erfasst werden.

 
Hinweis

Änderung der wirtschaftlichen Grundstücksnutzung

Als Änderung der wirtschaftlichen Grundstücksnutzung im vorgenannten Sinne, die nicht in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 WHG fällt, sind etwa

  • die erstmalige Bebauung eines Grundstücks[5],
  • das Betreiben einer Bodendeponie in einem ehemaligen Steinbruch[6], das Lagern von Bodenaushub auf einem Grundstück[7] oder
  • die Errichtung einer Hangstützmauer[8]

anzusehen, auch wenn sie mittelbar den natürlichen Ablauf des wild abfließenden Wassers zum Nachteil des Ober- oder Unterliegers verändern.

Gilt auch für Änderung der landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung

Gleiches gilt nach der Rechtsprechung auch für eine Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks. Deshalb kann sich der Unterlieger nicht unter Berufung auf § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG dagegen wehren, dass das landwirtschaftliche Grundstück des Oberliegers

  • nicht mehr als Grünland, sondern zum Anbau von Mais genutzt wird[9],
  • der Oberlieger beim Anbau von Spargel während der Wintermonate Plastikplanen verwendet, um die Spargeldämme vor Frost zu schützen[10] oder
  • der Oberlieger regelmäßig seinen Acker pflügt[11].
[2] AG Schwalmstadt, Urteil v. 12.11.1990, 3 C 330/90, NJW-RR 1991 S. 404.
[3] BGH, Urteil v. 18.4.1991, III ZR 1/90, NJW 1991 S. 2770; BGH, Beschluss v. 6.6.2007, III ZR 313/06, NVwZ-RR 2007 S. 597; OLG Düsseldorf, Urteil v. 15.5.1991, 9 U 259/90, NJW-RR 1991 S. 1115.
[4] BT-Drs. 16/12275 v. 17.3.2009, S. 62.
[5] OLG Köln, Urteil v. 1.7.1994, 6 U 181/93, ZfW 1995 S. 119.
[6] OLG Hamm, Urteil v. 9.7.1984, 5 U 273/82, VersR 1985 S. 648.
[8] OLG Köln, Urteil v. 3.5.1989, 13 U 299/88, NVwZ-RR 1989 S 642.
[11] AG Schwalmstadt, Urteil v. 12.11.1990, 3 C 330/90, NJW-RR 1991 S. 404.

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