1 Leitsatz
Hat ein Wohnungseigentümer möglicherweise eine unzulässige bauliche Veränderung vorgenommen, ist es vor der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der gerichtlichen Durchsetzung des etwaigen Beseitigungsanspruchs im Regelfall nicht erforderlich, ein Gutachten eines Rechtsanwalts über die Erfolgsaussichten des Prozesses einzuholen.
2 Normenkette
§ 20 WEG; § 43 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer B baut eine Klimaanlage ein. Eine Gestattung nach § 20 Abs. 1 WEG liegt nicht vor. Die Wohnungseigentümer beschließen zu TOP 12.1, dass Wohnungseigentümer B die auf dem Westbalkon und auf dem Ostbalkon errichteten Klimaanlagen einschließlich deren Versorgungsleitungen zu beseitigen und die Durchdringungen der Fassade ordnungsmäßig zu verschließen hat. Zu TOP 12.2. beschließen sie, dass die Verwaltung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich gegen B vorgehen soll, wenn er nicht zurückbaut. Zu TOP 12.3 ermächtigten die Wohnungseigentümer die Verwaltung, zur gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Gegen diese Beschlüsse geht Wohnungseigentümer B vor.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Wohnungseigentümer seien befugt gewesen, sich durch Beschluss einen Willen darüber zu bilden, ob sie bestimmte Nutzungen oder bauliche Veränderungen für unzulässig halten. Sie dürften einen Wohnungseigentümer zu einem dem Beschluss entsprechenden Verhalten auffordern. Werde dies dem Wortlaut nach als Ge- oder Verbot beschlossen, sei darin nächstliegend ein solcher Aufforderungsbeschluss zu sehen. So liege es auch hier. Der Beschluss sei auch hinreichend bestimmt. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn der betroffene Wohnungseigentümer grundsätzlich absehen könne, welche Handlung von ihm verlangt werde. Dies sei der Fall. Die Kammer teile auch nicht die Auffassung der Berufung, dass die Beschlüsse zu TOP 12.2 und TOP 12.3 nicht ordnungsmäßig vorbereitet worden seien, weil die Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung nicht hinreichend über das mit einer Klage verbundene Risiko aufgeklärt worden seien und eine rechtliche Beratung nicht stattgefunden habe. Zwar müssten die Wohnungseigentümer vor einer Beschlussfassung die erforderlichen Informationen haben, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Welche Informationen im Vorfeld erteilt werden müssten, sei aber von dem Gegenstand des Beschlusses abhängig. Hier gehe es um eine unzulässige bauliche Veränderung, deren Beseitigung gerichtlich durchgesetzt werden solle, wofür eine Anwaltsbeauftragung beschlossen worden sei. In einem derartigen Fall sei es jedenfalls vor der Anwaltsbeauftragung nicht erforderlich, eine weitere Rechtsberatung durchzuführen. Wenn eine bauliche Veränderung ohne Gestattung durchgeführt worden sei, entspreche im Grundsatz nur ein Beschluss, der auf die Beseitigung der baulichen Veränderung ziele, einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Zwar treffe der Einwand der Berufung zu, dass mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts Kosten verbunden seien und mit der Klage die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Prozessrisiko eingehe, welches im Vorfeld der Beschlussfassung nicht abgeschätzt worden sei. Entgegen der Auffassung der Berufung sei im Fall aber eine weitere Aufklärung vor der Beschlussfassung nicht erforderlich gewesen. Die von der Berufung angeführten möglichen Einwände gegen den Anspruch, insbesondere die Frage der Verjährung und das Bestehen eines denkbaren Einwands im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, änderten nichts. Im Fall eines erheblichen Risikos hätte der beauftragte Rechtsanwalt hierauf hinzuweisen gehabt.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall hat sich der "Bauherr" um keine Gestattung bemüht. Die Klage auf Rückbau versucht er mit der Überlegung zu torpedieren, dass die Wohnungseigentümer vor einer Klage gegen ihn mehr Informationen hätten einholen müssen.
Rechtsrat vor Erhebung einer Klage
Das LG meint, es sei in Ordnung, vor der Beauftragung eines Anwalts mit dem Ziel einer Klage auf Rückbau keinen Rechtsrat einzuholen, ob die Klage Erfolg haben wird. Dies dürfte der allgemeinen Ansicht entsprechen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Der Fall zeigt, dass man über alles streiten kann – selbst dann, wenn die Rechtslage eindeutig ist. In vergleichbaren Fällen sollten die Verwaltungen daher vor der Erhebung einer Klage Rat einholen und abklären, ob einem Anspruch beispielsweise die Einrede der Verjährung entgegensteht oder ein Anspruch auf eine Gestattung.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 15.2.2024, 2-13 S 53/23