Leitsatz (amtlich):

Zur Frage des Wettbewerbsverstoßes durch Unterhaltung einer weiteren inländischen Beratungsstelle, die nicht im Nahbereich der beruflichen Niederlassung des Steuerberaters liegt.

 

Zum Sachverhalt:

Die Beklagten sind Steuerberater und üben ihren Beruf in einer GbR aus. Sie haben ihre Niederlassung in H. In G. unterhalten sie - etwa 85 km von ihrer Niederlassung in H. entfernt - eine weitere Beratungsstelle für Steuerangelegenheiten. Diese wurde bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils von einem der Beklagten, der seine Niederlassung in H. hat, geleitet. Die Beklagten beabsichtigen, nach dem Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits wieder so zu verfahren.

Die klagende Steuerberaterkammer ist der Ansicht, dass die Beklagten durch die Art und Weise der Leitung der weiteren Beratungsstelle gegen § 34 Abs. 2 StBerG verstoßen. H. liege nicht im Nahbereich der Beratungsstelle; außerdem dürfe die Beratungsstelle nicht von einem Steuerberater der Hauptniederlassung geleitet werden. Diese Auffassung wurde vom LG und OLG bestätigt.

Mit der (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene sachlich-rechtliche Beurteilung des Falles haben … keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht das Unterhalten der Beratungsstelle der Beklagten… als Verstoß gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG (a.F.) und damit zugleich als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen.

  1. Im Lauf des Revisionsverfahrens ist § 34 Abs. 2 StBerG durch das 7. Gesetz zur Änderung des StBerG vom 24.6.2000[1] mit Wirkung vom 1.7.2000 neu gefasst worden. Dabei wurde bereits im Wortlaut der Vorschrift klargestellt, dass der Leiter einer weiteren Beratungsstelle im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 1 StBerG jeweils ein anderer Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter sein muss, der seine berufliche Niederlassung am Ort der Beratungsstelle oder jedenfalls in deren Nahbereich hat. Für die rechtliche Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrags ist diese Änderung der Gesetzesfassung zu berücksichtigen. Denn Maßstab für die rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren ist das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht[2]. Nach der Neufassung des Gesetzes wäre das mit dem Klageantrag angegriffene Verhalten in Zukunft deshalb ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 StBerG, weil jedenfalls nach dieser Gesetzesfassung die weitere Beratungsstelle in G. von einem anderen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten geleitet werden muss.
  2. Dieser Umstand macht allerdings die Prüfung nicht entbehrlich, ob die Beklagten in der Vergangenheit unter der Geltung der alten Fassung des § 34 Abs. 2 StBerG einen Wettbewerbsverstoß begangen haben und dadurch der Unterlassungsanspruch wegen Wiederholungsgefahr begründet worden ist. Hätten sich die Beklagten nach der bisherigen Rechtslage rechtmäßig verhalten, könnte nämlich im Revisionsverfahren nicht ohne weiteres angenommen werden, dass sie nach Eintritt der Rechtsänderung nicht bereit seien, die neue Rechtslage zu beachten[3].

    Die Frage, ob eine weitere Beratungsstelle schon nach der früheren Gesetzesfassung von einem anderen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten geleitet werden musste, kann gleichwohl offen bleiben[4]. Denn das mit der Klage angegriffene Verhalten stellt sowohl nach der früheren Gesetzeslage als auch nach § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG n.F. schon deshalb einen Wettbewerbsverstoß dar, weil G. nicht im Nahbereich von H. liegt.

    Das Berufungsgericht ist insoweit im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH[5] zutreffend davon ausgegangen, dass zum Nahbereich einer weiteren Beratungsstelle grundsätzlich ein luftlinienmäßiger Umkreis von etwa 50 km zu rechnen ist. Diese Auslegung trägt dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung Rechnung, die sicherstellen soll, dass der Leiter der Beratungsstelle seine Aufgaben in angemessener Frist ausüben und auch zum Zweck eines kurzfristig notwendig werdenden Gesprächs mit einem Mandanten von einer Beratungsstelle zur anderen gelangen kann. Die Entfernung zwischen der Niederlassung der Beklagten in H. und der Beratungsstelle in G. von etwa 85 km Luftlinie (bei einer Straßenentfernung von etwa 110 km) sowie der Zeitbedarf zur Überwindung der Entfernung schließen es nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung aus, die weitere Beratungsstelle noch dem Nahbereich der Niederlassung zuzurechnen. Nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann die Fahrstrecke weder über die stauanfällige Autobahn noch über Nebenstrecken zuverlässig innerhalb von etwa einer Stunde bewältigt werden.

  3. Die angefochtene Entscheidung verletzt auch keine verfassungsmäßigen Rechte der Beklagten.

    aa)

    Die Beklagten werden nicht unzulässig in ihrem Recht auf freie Berufsausübung[6] beeinträchtigt.

    1. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG beinhaltet eine Regelung der Berufsausübung, die, sowei...

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