Leitsatz
Rundschreiben, mit denen sich ein Steuerberater an Mandanten seines früheren Arbeitgebers wendet, den neuen Arbeitgeber und dessen Beratungsangebot vorstellt sowie dessen Dienste den potentiellen Mandanten anbietet, begegnen nach § 57a StBerG keinen Bedenken.
Sachverhalt
Steuerberater A war bis zum 30.4.2001 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der T-GmbH. Am 1.5.2001 trat er ein Dienstverhältnis bei der F-GmbH an, deren Geschäftsführer F ist. Am 1.6.2001 schrieb A mit Wissen und Billigung von F auf dem Geschäftspapier der F-GmbH von der T-GmbH betreute Mandanten an, stellte den neuen Arbeitgeber und ein erweitertes Beratungsangebot vor. Nachdem am 18.6.2001 Steuerberater M, ehedem geschäftsführender Gesellschafter der T-GmbH, verstorben war, richteten A und F unter dem 21.6.2001 ein entsprechendes Schreiben an die Firma V, die ebenfalls überwiegend von M betreut worden war. A wird vorgeworfen, er habe die Schreiben in der Absicht verfasst, neue Mandate für seinen neuen Arbeitgeber zu gewinnen und die T-GmbH aus dem Auftrag zu verdrängen.
Entscheidung
Die versandten Formschreiben begegnen nach § 57a StBerG keinen Bedenken. Hierbei handelt es sich um Werbung. Die Berufsangehörigen bezweckten damit, ihre Dienste potentiellen Klienten anzubieten, zu denen Mandatsverhältnisse bislang nicht bestanden. Verträge waren lediglich zwischen den Angeschriebenen und der T-GmbH zustande gekommen, auch wenn A die Mandanten bereits als Angestellter der T-GmbH betreut hatte.
Die Werbung ist berufsbezogen und sachlich. Sie informiert über den neuen Wirkungskreis des A. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die darin enthaltenen Angaben objektiv nicht den Tatsachen entsprechen. Soweit A in dem Schreiben behauptet, er sei mit den Verhältnissen des Angeschriebenen bestens vertraut, kann hierin keine reklamehafte Anpreisung gesehen werden. A hatte sämtliche Mandanten zumindest während der Urlaubsabwesenheit des an sich zuständigen Steuerberaters betreut. Schon deshalb hatte A das Recht, die Mandanten der T-GmbH über seinen neuen Wirkungskreis zu informieren. Allerdings wurde bisher eine Anpreisung darin gesehen, dass ein Rechtsanwalt unaufgefordert einem Dritten, mit dem er in keiner Mandatsbeziehung stand oder gestanden hatte, seine anwaltliche Tätigkeit nachzubringen versuchte. Diese Rechtsprechung bezog sich jedoch auf eine seit Einführung des § 43b BRAO nicht mehr bestehende Rechtslage. Entsprechend muss auch dem Steuerberater das Herantreten an Interessenten aufgrund § 57a StBerG erlaubt sein. Deshalb verbietet es sich auch, im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 3 S. 3 BOStB, wonach das Anbieten der eigenen Dienste auf Aufforderung des möglichen Auftraggebers zulässig ist, jedwedes unaufgefordertes Herantreten als unzulässig zu erachten.
Es handelt sich auch nicht um eine Werbung, die auf die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtet ist. Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass die Angeschriebenen eine steuerliche Beratung in einer bestimmten Angelegenheit benötigten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass A davon ausging, dass allgemein Interesse an seinen Leistungen bestand, da bei den Angeschriebenen steuerlicher Beratungsbedarf zu vermuten war. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Eine gezielte aufdringlich erscheinende Kontaktaufnahme liegt nicht vor. Dies ergibt sich schon daraus, dass A ausdrücklich seine Leistung nur für den Fall anbot, dass die Mandanten dies wünschten. In diesem Zusammenhang darf ferner nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass A bereits in Kontakt mit den Angeschriebenen gestanden hatte und diesen somit bekannt war.
Auch soweit A die Mandantin V drei Tage nach dem Tode des M angeschrieben hat, ist kein verbotswidriges Werben zu erkennen. A hat ab Juni 2001 die von ihm (mit-)betreuten Mandanten über seinen neuen beruflichen Wirkungskreis durch ein Standardanschreiben informiert. Ein beabsichtigter Zusammenhang zwischen dem Ableben des Mund den Werbeschreiben ist nicht ersichtlich. Seiner unwiderlegten Einlassung zufolge hat A auch nach dem 21.6.2001 keine Schreiben mehr versandt, weil er unabhängig von berufsrechtlichen Aspekten negative Eindrücke aufgrund der zeitlichen Parallelität der Ereignisse vermeiden wollte.
Schließlich ist das Werbeverhalten des A auch nicht unter dem Gesichtspunkt unlauterer Abwerbung von Mandanten zu beanstanden. Wenn in den §§ 32 Abs. 2 Satz 1 und 33 Abs. 1 BOStB jede Maßnahme, die darauf gerichtet ist, einen anderen Steuerberater aus dem Auftrag zu verdrängen, für berufswidrig erklärt wird, kann dies mit Blick auf die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit verfassungskonform nur so ausgelegt werden, dass das Abwerben durch unlautere Methoden geschieht. Grundsätzlich ist es zulässig, dass ein ausscheidender Mitarbeiter Mandanten seines früheren Arbeitgebers "mitnimmt". Im freien Wettbewerb hat niemand Anspruch auf Erhaltung seines Mandantenstammes. Erst durch Hinzutreten besonderer Umstände – etwa Diffamierung des f...