Leitsatz
- Wird ein von den Parteien vereinbarter Index vom Statistischen Bundesamt nicht mehr fortgeschrieben, liegt eine Regelungslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.
- Haben die Parteien den Index für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts mit mittlerem Einkommen gewählt, tritt an dessen Stelle der Verbraucherpreisindex für Deutschland.
- Grundsätzlich ist die Umstellung auf den Zeitpunkt des neuen Basisjahres (Januar 2000) vorzunehmen.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB § 535 Abs. 2
Kommentar
In einem im Jahr 1985 abgeschlossenen Gewerbemietvertrag ist eine Wertsicherungsklausel vereinbart, wonach eine Veränderung der Miete verlangt werden kann, "wenn der Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes der mittleren Einkommensgruppe in der Bundesrepublik Deutschland (Basis 1980 = 100) um 10 Prozent oder mehr steigt bzw. fällt."
Die letzte Mieterhöhung war im Jahr 2002. Der "Index für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushalts mit mittlerem Einkommen" wird vom Statistischen Bundesamt nur bis Dezember 2002 errechnet. Mit Schreiben vom 15.6.2006 macht der Vermieter eine Mietanpassung auf der Basis des Verbraucherpreisindexes (Basis 2000 = 100) geltend. Ausgangspunkt der Berechnung ist der umbasierte Wert von Juni 2000 (99,9 Punkte). Die Steigerung von Juni 2000 bis April 2006 (109,9 Punkte) beträgt 10 Punkte oder 10,01 %. Nach dieser Berechnung ist die Mietanpassung begründet. Der Mieter wendet ein, dass der Verbraucherpreisindex erst ab 1.1.2003 anzuwenden ist. Addiert man die jeweiligen Veränderungen, so wird die Schwelle von 10 % nicht erreicht.
Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass die Umstellung auf den Verbraucherpreisindex zu dem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem der vereinbarte Index ausläuft, hier also im Dezember 2002 (Reul, DnotZ 2003 S. 92, 101). Der BGH (Urteil v. 4.3.2009, XII ZR 141/07, NZM 2009 S. 398) meint demgegenüber, dass die Umstellung auf den Zeitpunkt des neuen Basisjahres (Januar 2000) vorzuziehen sei. Das Oberlandesgericht führt hierzu aus, dass die Frage im Einzelfall nach dem hypothetischen Parteiwillen zu beantworten sei. Denkbar ist, dass die Parteien solange wie möglich an dem vereinbarten Maßstab festhalten wollen. Denkbar ist aber auch, dass sie die durchgehende Anwendung des Verbraucherpreisindexes seit der letzten Mieterhöhung wollen. In der Regel sei davon auszugehen, dass die Parteien bei der Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel eine praktikable Regelung anstreben, die der Kostenentwicklung Rechnung trägt. Dies spreche für eine auf den Zeitpunkt des neuen Basisjahres bezogene Umstellung.
Umbasieren mit Rechenprogramm
Die Rechtsfrage dürfte für die Praxis von geringer Bedeutung sein, weil die Ergebnisse beider Berechnungsweisen nahezu identisch sind. Die Umrechnung kann mithilfe eines vom Statistischen Bundesamt entwickelten Rechenprogramms vorgenommen werden (www.destatis.de/wsk).
Link zur Entscheidung
OLG Schleswig, Urteil v. 6.4.2011, 4 U 60/10, ZMR 2011 S. 635