Leitsatz

Erteilt ein Wohnungseigentümer eine Generalvollmacht, liegt darin in der Regel der Widerruf der bisher erteilten Generalvollmacht

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1 WEG; §§ 167 Abs. 1, 168 Satz 3 BGB

 

Das Problem

  1. In einer Versammlung stimmen Wohnungseigentümer über die Wiederbestellung des bisherigen Verwalters bzw. Neubestellung eines Konkurrenten ab. Für den bisherigen Verwalter stimmen 360/1.000 MEA, für den Konkurrenten 357/1.000 MEA. Für den bisherigen Verwalter hatte auch einer seiner Mitarbeiter als Vertreter der Wohnungseigentümer A, B und C und als Untervertreter des Verwalters abgestimmt. A, B und C hatten dem bisherigen Verwalter schon vor langen Jahren für ihre Vertretung in der Versammlung jeweils eine "Generalvollmacht" erteilt.
  2. Der Versammlungsleiter verkündet als Ergebnis der Abstimmung, dass der bisherige Verwalter wieder bestellt worden sei. Diese Feststellung hält Wohnungseigentümer W für unzutreffend. Er meint, der Mitarbeiter habe die Wohnungseigentümer A, B und C nicht mehr vertreten können. Diese hätte dem bisherigen Verwalter in der Tat zwar eine Generalvollmacht erteilt. Sie hätten vor der Versammlung aber auch Wohnungseigentümer D eine Generalvollmacht erteilt – was dem Versammlungsleiter bekannt gewesen sei. W greift aus diesem Grund den Bestellungsbeschluss an. Das Amtsgericht Kaiserslautern gibt der Klage statt. Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Wohnungseigentümer.
 

Entscheidung

  1. Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Versammlungsleiter habe zu Unrecht festgestellt, dass der bisher bestellte Verwalter wieder bestellt worden ist. Nach dem richtigerweise anzunehmenden Abstimmungsergebnis sei nämlich nicht der bisherige Verwalter, sondern sein Konkurrent zum Verwalter bestellt worden (eine Klage, auch dieses festzustellen, sei allerdings nicht erhoben worden).
  2. Das in der Versammlung festgestellte Beschlussergebnis sei unrichtig gewesen. Ein Beschluss sei anfechtbar, wenn er nicht die erforderliche Mehrheit erreicht habe, beispielsweise weil zu Unrecht Einzelstimmen berücksichtigt worden seien, die keine Berücksichtigung hätten finden dürfen. In diesem Fall komme eine Ungültigerklärung des als zustande gekommen festgestellten Beschlusses zwar nur in Betracht, wenn ohne die zu Unrecht berücksichtigten Stimmen der Beschluss nicht zustande gekommen wäre (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl. 2013, § 23 Rn. 194). So läge es hier aber. Der Versammlungsleiter hätte die Stimmen des Mitarbeiters in Stellvertretung der Eigentümer A, B und C mangels Vertretungsmacht nicht berücksichtigen dürfen. Ohne diese Stimmen wäre der Beschluss nicht zustande gekommen.
  3. Allerdings sei bei der Beschlussfassung eine Stimmabgabe in Stellvertretung grundsätzlich zulässig gewesen. Voraussetzung für die Wirksamkeit sei es aber gewesen, dass der Stellvertreter, hier also der Mitarbeiter des Verwalters, gem. § 164 Abs. 1 BGB mit Vertretungsmacht für die vertretenen Eigentümer handelte. Hieran habe es gefehlt. Der bisherige Verwalter konnte sich nicht mehr auf die Generalvollmachten aus den Jahren 1998 (A), 2004 (B) bzw. 1999 (C) berufen, weil A, B und C diese Bevollmächtigungen inzwischen widerrufen hatten. Ein Widerruf könne sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten als auch dem Dritten, demgegenüber sie besteht, erklärt werden. Er könne auch stillschweigend, insbesondere durch Bestellung eines anderen Bevollmächtigten, erfolgen. Der Widerruf sei hier darin zu sehen, dass Wohnungseigentümer D die ihm erteilte Generalvollmacht dem Versammlungsleiter vorgelegt hatte.
  4. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die jedenfalls vom bisherigen Verwalter geübte Praxis, ihm einmal erteilte Generalvollmachten aus früheren Jahren bei den Abstimmungen zu berücksichtigen, nicht mit den in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Förmlichkeiten zu vereinbaren sei. Denn danach müsse für eine zulässige Vertretung stets eine besondere, schriftliche Vollmacht (gemeint: Vollmachtsurkunde) vorliegen, die dem jeweiligen Versammlungsprotokoll beizufügen sei. Jedenfalls zukünftig werde daher eine Zurückweisung von Stellvertretern nach § 174 Satz 1 BGB in Betracht kommen, die sich nicht in der von der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Art und Weise legitimieren könnten.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Berufung hatte der vom bisherigen Verwalter ausgesuchte Rechtsanwalt im Namen der beklagten Wohnungseigentümer eingelegt. Das Landgericht nahm hieran keinen Anstoß. Ob der bisherige Verwalter befugt gewesen sei, einen Auftrag zur Berufungseinlegung zu erteilen, könne dabei offen bleiben. Entscheidend sei, dass dem Beklagtenvertreter in 1. Instanz nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG wirksam Prozessvollmacht erteilt werden konnte und auch wurde. Diese habe den Prozessbevollmächtigten ohne Weiteres in die Lage versetzt, Berufung gegen das Urteil 1. Instanz einzulegen (MünchKommZPO/Toussaint, 4. Aufl. 2013, § 81 Rn. 8). Diese Sichtweise ist problematisch. Zum einen fragt sich, ob der Verwalter in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 1 WEG daran gehindert war, die beklagte...

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