Verfügt der Gläubiger über einen Vollstreckungstitel gegen einen im EU-Ausland ansässigen Schuldner, dann muss er sich zunächst in Deutschland bei dem zuständigen Gericht oder Notar eine Bescheinigung ausstellen lassen.
Vollstreckungstitel in Formblatt übertragen
Die Brüssel-Ia-Verordnung sieht dafür in den Anhängen I und II entsprechende Formblätter vor. In das Formblatt ist der wesentliche Inhalt des Vollstreckungstitels zu übertragen. Je nachdem, welche gesetzlichen Regelungen in dem Staat gelten, in welchem vollstreckt werden soll, muss der Gläubiger ggf. noch eine Übersetzung der ausgestellten Bescheinigung veranlassen.
Im Übrigen überprüft das die Bescheinigung ausstellende Gericht nicht die Berechtigung oder Wirksamkeit des vorliegenden Vollstreckungstitels.
2.1 Anhörung des Schuldners
Es erfolgt regelmäßig keine Anhörung des Schuldners vor Ausstellung der Bescheinigung. Lediglich in folgenden Ausnahmefällen kann nach § 1111 Abs. 1 S. 2 ZPO eine vorherige Anhörung des Schuldners erfolgen:
- bei Vollstreckung einer geschuldeten Leistung, die gemäß § 726 Abs. 1 ZPO unter einer Bedingung steht
- bei Vollstreckung für oder gegen den Rechtsnachfolger gemäß § 727 ZPO
- bei Vollstreckung für und gegen den Nacherben gemäß § 728 Abs. 1 ZPO
- bei Vollstreckung gegen den Erben im Falle der Testamentsvollstreckung gemäß § 728 Abs. 2 ZPO
- bei Vollstreckung gegen den Vermögens- und Firmenübernehmer gemäß § 729 ZPO
In allen anderen Fällen wird der Schuldner zuvor nicht angehört. Ihm wird aber anschließend eine Ausfertigung der Bescheinigung von Amts wegen zugestellt.
2.2 Wenn sich der Schuldner zur Wehr setzen will
Will sich der Schuldner gegen die Ausstellung der Bescheinigung zur Wehr setzen, so sind gemäß § 1111 Abs. 2 ZPO die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden. Das Gesetz verweist also auf § 732 ZPO, wonach der Schuldner eine Erinnerung gegen die Ausstellung der Bescheinigung erheben kann.
Mit der Vorlage der zu vollstreckenden Entscheidung und der im Inland ausgestellten Bescheinigung sowie ggf. deren Übersetzung kann der Gläubiger in einem anderen EU-Mitgliedstaat die Vollstreckung betreiben, vgl. Art. 42 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012. Nur in Ausnahmefällen kann die Übersetzung der zu vollstreckenden Entscheidung anstelle der Bescheinigung verlangt werden, wenn das mit der Vollstreckung befasste Gericht ohne eine solche Übersetzung das Verfahren nicht fortsetzen kann.
Das zuvor als "Exequatur" bekannte Verfahren auf Vollsteckbarerklärung im Mitgliedsstaat, in welchem vollstreckt werden soll, ist entfallen. Dies wird in Art. 39 ausdrücklich klargestellt Die in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung ist vielmehr in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und vollstreckbar, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Entscheidung darf in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden, vgl. Art. 52 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012.
Entstehung des Titels wird nicht geprüft
Der Schuldner hat nicht die Möglichkeit durch zahlreiche, teils haltlose Einwendungen das Verfahren in seinem Wohnsitzstaat in die Länge zu ziehen. Der Titel selbst und dessen Entstehung werden nicht geprüft.
Dem Schuldner stehen lediglich dann Anfechtungsrechte zu, wenn er die Einhaltung eines ordnungsgemäßen und fairen Verfahrens beklagen kann. So wird auf Antrag des Schuldners die Vollstreckung einer Entscheidung versagt, wenn gemäß Art. 46 i. V. m. Art. 45 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012 einer der folgenden Versagungsgründe vorliegt:
- Das zu vollstreckende Urteil widerspricht der öffentlichen Ordnung ("ordre public") des Mitgliedstaates, in dem vollstreckt werden soll.
- Es handelt sich um eine Säumnisentscheidung und das verfahrenseinleitende Schriftstück ist dem Schuldner nicht so rechtzeitig zugestellt worden, dass er sich verteidigen konnte. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Schuldner gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf hätte einlegen können und davon keinen Gebrauch gemacht hat.
- Das zu vollstreckende Urteil ist mit einer Entscheidung unvereinbar, die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist.
- Die zu vollstreckende Entscheidung ist mit einer früheren Entscheidung unvereinbar, die zwischen denselben Parteien in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist.
- Der Schuldner ist Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter des Versicherungsvertrages, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer und die zu vollstreckende Entscheidung ist unvereinbar mit den in der Brüssel-Ia- Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregelungen.
- Das zu vollstreckende Urteil steht im Widerspruch zu den in der Brüssel-Ia-Verordnung vorgesehenen ausschließlichen Zuständigkeitsregelungen.
In Bezug auf die Zuständigkeitsregelungen wird in der Brüssel-Ia-Verordnung jedoch festgehalten, dass das Vollstreckungsgericht des ersuchten Mitgliedstaates an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil gebunden ist. Hat das Ursprungsgericht hiernach a...