Zusammenfassung
Die Vollstreckung gerichtlicher Titel innerhalb der EU wurde durch die im Jahre 2015 in Kraft getretene Brüssel-Ia-Verordnung erheblich erleichtert. Zuvor war die Durchsetzung von Rechtsansprüchen im EU-Ausland mit großem bürokratischen Aufwand verbunden, wenn bspw. Unterhalt gegen den nach Italien verzogenen Vater oder Bußgeldbescheide im Ausland vollstreckt werden sollten. Seit der Geltung der Verordnung nimmt die Vollstreckung, je nach dem, in welchem Mitgliedstaat sie erfolgen soll, zum Teil immer noch viel Zeit in Anspruch. Es gibt aber jedenfalls klare Vorgaben, an die alle Mitgliedstaaten gebunden sind.
1 Vollstreckung im EU-Ausland – die Grundsätze im Überblick
Vor der Geltung und Umsetzung der Brüssel-Ia-Verordnung mussten Gläubiger zunächst eine Vollstreckbarkeitserklärung (sog. Exequatur) eines Gerichtes des Mitgliedsstaates beantragen, in dem die Vollstreckung durchgeführt werden sollte. Dieses Vollstreckbarerklärungsverfahren war oft mit Zeitverlust und zusätzlichen Kosten verbunden. Je nach Mitgliedstaat dauerte das Verfahren Monate. Dem Schuldner wurden Möglichkeiten eingeräumt, Einwendungen zu erheben, die zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führten. Durch die Umsetzung der Brüssel-Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/2012) wurde dieses Verfahren abgeschafft. Es ist seitdem keine Vollstreckbarkeitserklärung mehr erforderlich. Dies führte zu einer eheblichen Zeit- und Kostenersparnis für die Gläubiger.
Darüber hinaus ist es nicht mehr erforderlich, den gesamten Vollstreckungstitel und dessen Begründung übersetzen zu lassen. Vielmehr ist vorgesehen, dass im Ursprungsstaat eine Vollstreckungsbescheinigung ausgestellt wird, die sämtliche, für die Vollstreckung relevanten Angaben enthält. Dabei wird die Berechtigung des Vollstreckungstitels nicht mehr geprüft. Es bedarf gegebenenfalls lediglich eine Übersetzung der Vollstreckungsbescheinigung.
Ungeachtet dieser Vereinfachung des Verfahrens kann der Schuldner nach wie vor Einwände gegen die Vollstreckung erheben. So kann er insbesondere vorbringen, dass die Vollstreckung gegen die öffentliche Ordnung ("ordre public") im Vollstreckungsstaat verstößt. Dadurch soll ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren sichergestellt werden.
Die Umsetzung der Brüssel-Ia-Verordnung hat folgende Änderungen gebracht:
- Wegfall des Vollstreckbarerklärungsverfahrens
- regelmäßig keine Übersetzung des gesamten Vollstreckungstitels
- Vollstreckung im EU-Ausland mittels Vorlage einer im Inland ausgestellten Vollstreckungsbescheinigung
- Anfechtungsmöglichkeiten des Schuldners bei Verstoß gegen "ordre public"
2 Der Verfahrensablauf zur Vollstreckung im EU-Ausland
Verfügt der Gläubiger über einen Vollstreckungstitel gegen einen im EU-Ausland ansässigen Schuldner, dann muss er sich zunächst in Deutschland bei dem zuständigen Gericht oder Notar eine Bescheinigung ausstellen lassen.
Vollstreckungstitel in Formblatt übertragen
Die Brüssel-Ia-Verordnung sieht dafür in den Anhängen I und II entsprechende Formblätter vor. In das Formblatt ist der wesentliche Inhalt des Vollstreckungstitels zu übertragen. Je nachdem, welche gesetzlichen Regelungen in dem Staat gelten, in welchem vollstreckt werden soll, muss der Gläubiger ggf. noch eine Übersetzung der ausgestellten Bescheinigung veranlassen.
Im Übrigen überprüft das die Bescheinigung ausstellende Gericht nicht die Berechtigung oder Wirksamkeit des vorliegenden Vollstreckungstitels.
2.1 Anhörung des Schuldners
Es erfolgt regelmäßig keine Anhörung des Schuldners vor Ausstellung der Bescheinigung. Lediglich in folgenden Ausnahmefällen kann nach § 1111 Abs. 1 S. 2 ZPO eine vorherige Anhörung des Schuldners erfolgen:
- bei Vollstreckung einer geschuldeten Leistung, die gemäß § 726 Abs. 1 ZPO unter einer Bedingung steht
- bei Vollstreckung für oder gegen den Rechtsnachfolger gemäß § 727 ZPO
- bei Vollstreckung für und gegen den Nacherben gemäß § 728 Abs. 1 ZPO
- bei Vollstreckung gegen den Erben im Falle der Testamentsvollstreckung gemäß § 728 Abs. 2 ZPO
- bei Vollstreckung gegen den Vermögens- und Firmenübernehmer gemäß § 729 ZPO
In allen anderen Fällen wird der Schuldner zuvor nicht angehört. Ihm wird aber anschließend eine Ausfertigung der Bescheinigung von Amts wegen zugestellt.
2.2 Wenn sich der Schuldner zur Wehr setzen will
Will sich der Schuldner gegen die Ausstellung der Bescheinigung zur Wehr setzen, so sind gemäß § 1111 Abs. 2 ZPO die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden. Das Gesetz verweist also auf § 732 ZPO, wonach der Schuldner eine Erinnerung gegen die Ausstellung der Bescheinigung erheben kann.
Mit der Vorlage der zu vollstreckenden Entscheidung und der im Inland ausgestellten Bescheinigung sowie ggf. deren Übersetzung kann der Gläubiger in einem anderen EU-Mitgliedstaat die Vollstreckung betreiben, vgl. Art. 42 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012. Nur in Ausnahmefällen kann die Übersetzung der zu vollstreckenden Entscheidung anstel...