Leitsatz
Zwei Kommanditisten - die späteren Beklagten - waren mit einer Haftsumme von jeweils 100.000,00 DM (= 51.129,19 EUR) an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Die Kommanditisten hatten ihre Einlage zunächst vollständig eingezahlt. Über die Jahre hinweg leistete die Gesellschaft jedoch für sie Steuerzahlungen an das Finanzamt, stellte ihnen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung und zahlte private Steuerberaterkosten. Für einen der Kommanditisten zahlte die Gesellschaft auch die Eigenheimzulage zurück. Insgesamt summierten sich die in den festgestellten Jahresabschlüssen dokumentierten Entnahmen der Kommanditisten auf 126.786,53 EUR bzw. 53.312,26 EUR.
Im Jahr 2001 übernahm ein dritter Kommanditist die Verbindlichkeiten der beiden Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft mit befreiender Schuldübernahme. Er leistete jedoch keine Zahlungen an sie, sondern verrechnete diese Zahlungspflichten mit seinem Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gegen die Gesellschaft.
Im Februar 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft verlangte von den beklagten Kommanditisten die Leistung ihrer Einlage.
Das OLG Hamm gab dem Insolvenzverwalter recht - die beiden beklagten Kommanditisten mussten ihre Einlage wieder/noch einmal leisten. Denn bei sämtlichen Zahlungen der Gesellschaft an Dritte handelte es sich um Leistungen auf fremde Schulden, nämlich die der beklagten Kommanditisten. Im Innenverhältnis stellten die Zahlungen damit Entnahmen der Kommanditisten dar. Deren Einwendungen, die Steuern seien vereinbarungsgemäß für ihre Tätigkeitsvergütung von der Gesellschaft zu zahlen gewesen und der Gesellschaft habe eine Vergütung für die Nutzung der PKW nicht zugestanden, waren den beklagten Kommanditisten abgeschnitten. Zum einen, weil in den jeweils ordnungsgemäß festgestellten Jahresabschlüssen entsprechende Forderungen der Gesellschaft gegen die Kommanditisten ausgewiesen waren. Und zum anderen, weil kein Beweis für die behaupteten, von der Buchungspraxis und dem Gesellschaftsvertrag abweichenden Vereinbarungen erbracht wurde. Auch der Einordnung der Leistungen als Darlehen der Gesellschaft an die Kommanditisten folgte das OLG Hamm nicht. Ein Darlehen der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern ist nur dann keine Einlagenrückgewähr, wenn die Rückzahlung ernstlich gewollt und der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist. Anderenfalls handelt es sich um eine (verdeckte) Entnahme. Ein deutliches Indiz für die Entnahme ist der Drittvergleich: Ein Darlehen ohne Zins und Sicherheiten wäre an gesellschaftsfremde Dritte nie gewährt worden.
Auch die Schuldübernahme des dritten Kommanditisten hinderte das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nicht: Im Außenverhältnis gegenüber Dritten haftet immer der eingetragene Kommanditist, solange seine Einlage nicht erbracht wurde. Und der dritte Kommanditist hatte keine Zahlungen geleistet, sondern aufgerechnet. Die Darlehensforderung, mit der er aufrechnete, hatte jedoch kapitalersetzenden Charakter. Damit war die Aufrechnung nach ständiger Rechtsprechung des BGH unwirksam. Im Endergebnis waren somit die Einlagen der zwei beklagten Kommanditisten zurückgewährt worden. Die Kommanditistenhaftung lebte wieder auf, der Insolvenzverwalter konnte die Zahlung der Einlage verlangen.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG Hamm ist alles andere als überraschend. Sie lenkt jedoch das Augenmerk auf verschiedene Punkte, die bei - insbesondere kleinen - Personengesellschaften häufig nicht beachtet werden:
- Kommanditisten müssen sich darüber klar sein, dass das von ihnen in die Gesellschaft eingebrachte Kapital dort gebunden ist. Es steht nicht zur freien Verfügung der Gesellschafter, sondern jede Entnahme, die nicht aus erwirtschafteten Gewinnen erfolgt, lässt die Haftung der Kommanditisten wieder aufleben.
- Es sollte genau vereinbart und dokumentiert werden, worauf eine Zahlung beruht. Ist es ein sog. Verkehrsgeschäft zwischen der Gesellschaft und Dritten oder der Gesellschaft und den Gesellschaftern (zu Konditionen wie gegenüber Dritten)? Oder ist das Gesellschaftsverhältnis Grund der Leistung? Dies spielt insbesondere bei der Tätigkeitsvergütung von Kommanditisten eine Rolle, die sowohl als Lohn / Gehalt als auch als (Vorab- / Garantie-)Entnahme vereinbart werden kann.
- Der Jahresabschluss muss die Leistungen richtig widerspiegeln. Seine Feststellung durch die Gesellschafter führt dazu, dass diese die im Jahresabschluss ausgewiesenen Rechtsgeschäfte gegen sich gelten lassen müssen und nur in ganz seltenen Ausnahmen sich auf die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses berufen können.
Gerade bei kleineren Personengesellschaften werden Zahlungen häufig unterschiedslos vom Gesellschaftskonto oder vom Privatkonto ausgeführt. Dies muss buchhalterisch als Entnahme / Einlage nachvollzogen werden und führt nicht selten zu steuerlichen / rechtlichen Problemen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 07.07.2010, I-8 U 106/09