Leitsatz (amtlich)
1. Das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB setzt voraus, dass der Kommanditist Zuwendungen erhalten hat, durch die dem Vermögen der Gesellschaft ein Wert ohne entsprechende Gegenleistung entzogen wurde, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Entnahmen zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem das Kapitalkonto durch vorangegangene Verluste bereits gänzlich aufgezehrt worden war.
2. Führt die Kommanditgesellschaft für den Kommanditisten Einkommensteuern ab, kann darin eine haftungsschädliche Entnahme liegen.
3. Aufwendungen der Kommanditgesellschaft für den Kommanditisten stellen dann keine haftungsschädliche Entnahmen i.S.d. § 172 Abs. 4 HGB dar, wenn dem ein Verkehrsgeschäft, z.B. eine Darlehensgewährung seitens der Gesellschaft, zugrunde liegt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Geschäft einem sog. Drittvergleich standhält.
Allein die Buchung von Belastungen des Kommanditisten auf einem als "Darlehenskonto" bezeichneten Verrechnungskonto rechtfertigt nicht die Annahme einer entsprechenden Darlehensgewährung.
4. Übernimmt ein Kommanditist im Wege der Schuldübernahme Verbindlichkeiten anderer Kommanditisten ggü. der Gesellschaft, einer GmbH & Co. KG aus negativen Salden ihrer Verrechnungskonten, erlischt deren wieder aufgelebte Kommanditistenhaftung im Außenverhältnis nicht durch die Aufrechnung des Schuldübernehmers mit eigenen Darlehensforderungen gegen die Gesellschaft, wenn das Darlehen kapitalersetzenden Charakter hat.
5. Die Schuldübernahme stellt keine für den Gläubiger der übernommenen Schuld nach dem Anfechtungsgesetz anfechtbare Rechtshandlung dar.
Normenkette
HGB §§ 171, 172 Abs. 4, § 159; AnfG §§ 1, 3-4, 11
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 15.07.2009; Aktenzeichen 12 O 632/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.7.2009 verkündete Urteil des LG Münster teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger jeweils 51.129,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.1.2009 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 62 % und die Beklagten zu je 19 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kläger zu 72 % und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger zu 37 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I GmbH & Co. KG gegen die Beklagten zum einen Ansprüche aus wieder aufgelebter Kommanditistenhaftung und zum anderen Ansprüche aus gepfändetem Recht des Vaters der Beklagten auf Abschluss und Erfüllung eines Darlehensvertrages, hilfsweise aus Anfechtungsrecht, geltend.
Die Beklagten waren neben ihrem Vater I Kommanditisten der Schuldnerin mit einem Anteil von je 100.000 DM, das sind 10 % des Kapitals. Die in der Gesellschaft geführten sog. Darlehenskonten wiesen zum 31.5.2001 Verbindlichkeiten der Beklagten i.H.v. 258.981,90 DM betreffend den Beklagten zu 1) und 58.894,47 DM betreffend den Beklagten zu 2) aus. Mit Schuldübernahme- und Forderungsverzichtsvertrag vom 5.6.2001 übernahm der Vater der Beklagten, der Mehrheitsgesellschafter I, im Wege der befreienden Schuldübernahme die Darlehensverbindlichkeiten der Beklagten. Er rechnete mit eigenen Darlehensforderungen gegen die übernommene Verbindlichkeit auf und erklärte wegen der überschießenden Forderung gegen die KG einen Forderungsverzicht. In der Vertragsurkunde, die auch von den Beklagten unterzeichnet wurde, heißt es, es sei beabsichtigt, hinsichtlich des von I übernommenen Betrages mit den Gesellschaftern separate Darlehensverträge zu schließen.
Der Kläger nahm den Gesellschafter I auf Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit i.H.v. insgesamt 162.527,61 EUR mit der Begründung in Anspruch, die Aufrechnung mit eigenen Darlehensforderungen sei unwirksam gewesen, da sein der Gesellschaft gewährtes Darlehen kapitalersetzend gewesen sei. Der Kläger erwirkte in dem Verfahren 12 O 231/06 LG Münster am 10.8.2006 ein entsprechendes Versäumnisurteil, das rechtskräftig wurde. Gestützt auf dieses Versäumnisurteil pfändete er angebliche Darlehensrückzahlungsansprüche des I gegen die Beklagten. Die gegen den jetzigen Beklagten zu 1) gerichtete Einziehungsklage blieb in zwei Instanzen erfolglos, da in der Vereinbarung vom 5.6.2001 k...