Leitsatz
Nur wenige Tage vor der Eheschließung vereinbarten ein Elektroingenieur und seine ausländische Verlobte, die über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügte, in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung sowie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Ferner verzichteten sie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt. Zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Vertrages war die spätere Ehefrau nicht schwanger. Beide Parteien beabsichtigten, zunächst erwerbstätig zu bleiben. 14 Monate nach der Eheschließung wurde ein gemeinsames Kind geboren, das von der Ehefrau betreut wurde. Die Ehe der Parteien wurde im Jahre 2003 geschieden. Die Ehefrau nahm den Ehemann, der der Klage unter Hinweis auf den notariellen Ehevertrag und den dort vereinbarten Unterhaltsverzicht entgegentrat, auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Anspruch.
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 15.6.1999 geheiratet. Aus ihrer Ehe ging eine am 24.8.2000 geborene Tochter hervor, die von der Ehefrau und späteren Klägerin betreut und versorgt wurde. Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 10.4.2003 geschieden.
Die Ehefrau als Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Anspruch. Der Beklagte machte geltend, Unterhaltsansprüche seien durch den notariellen Ehevertrag vom 10.6.1999 wirksam ausgeschlossen. Im Übrigen sei er leistungsunfähig.
Das AG hat die Klage durch Urteil vom 19.4.2005 abgewiesen und zur Begründung den zwischen den Parteien herbeigeführten Unterhaltsverzicht angeführt. Der Beklagte sei auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht daran gehindert, sich auf diese Verzichtsvereinbarung zu berufen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Sie hat sich darauf berufen, der notarielle Vertrag sei unwirksam, der Beklagte im Übrigen leistungsfähig, da er sich nach der Kündigung seines früheren Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2003 nicht in dem gebotenen Maße um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe.
Das Rechtsmittel der Klägerin hatte teilweise Erfolg.
Entscheidung
Das OLG bejahte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts gem. § 1570 BGB im Hinblick darauf, dass von ihr wegen der Betreuung der erst 5 Jahre alten gemeinsamen Tochter eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte.
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien seien geprägt gewesen durch die Erwerbstätigkeit des Beklagten und die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der gemeinsamen Tochter. Der Beklagte könne sich für den Unterhaltszeitraum ab dem 1.10.2003 nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei aufgrund seiner Arbeitslosigkeit zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in geltend gemachter Höhe nicht in der Lage. Im Zusammenhang mit der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses habe er eine Abfindung in Höhe von 4.085,00 EUR erhalten. Dieser Betrag sei im Hinblick auf seine Lohnersatzfunktion im Rahmen einer sparsamen Wirtschaftsführung zur Deckung des nach den früheren ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhaltsbedarfs aller Beteiligten zu verwenden. Die Abfindung diene dazu, eine Zeitlang die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrechtzuerhalten und sei daher zeitlich so zu verteilen, dass der Bedarf des Berechtigten und des Verpflichteten in bisheriger Höhe sichergestellt sei (Wendl/Hausleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rz. 72; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 794, jeweils m.w.N.).
Für die Zeit ab 1.11.2004 seien dem Beklagten fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen, da er nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes unterhaltsrechtlich gehalten gewesen sei, sich intensiv um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen. Die von ihm dargelegten Bemühungen würden dieser Anforderung nicht gerecht.
Der zwischen den Parteien geschlossene Ehevertrag und der dort vereinbarte Unterhaltsverzicht stehe der Zuerkennung nachehelichen Unterhalts nicht entgegen. Der in der notariellen Urkunde vereinbarte wechselseitige Verzicht auf Zahlung nachehelichen Unterhalts sei zwar wirksam, da die Klägerin bei Abschluss des Vertrages nicht schwanger war und die Parteien seinerzeit vorgesehen hatten, das sie jedenfalls zunächst voll erwerbstätig sein sollte. Gleichwohl sei dem Beklagten nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB versagt, sich auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht zu berufen. Der Verzicht auf Betreuungsunterhalt tangiere den unmittelbaren Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgen. Die entstandene einseitige Lastenverteilung müsse die Klägerin nicht hinnehmen.
Hinweis
Bei den Gerichten scheint sich zunehmend die Ausübungskontrolle bei Eheverträgen durchzusetzen. Hiermit können gerechtere Lösungen erreicht werden als bei der starren an den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gebundenen Wirksamkeitskontrolle des § 138 BGB.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Urteil vom 19.09.2005, 13 UF 337/05