Leitsatz

Ein verfahrensfehlerhaft nicht alle notwendigen Streitgenossen (§ 62 ZPO) erfassendes Urteil ist auch dann nicht unwirksam, wenn es um die Klärung der Frage geht, ob Teile einer Wohnungseigentumsanlage im Gemeinschafts- oder im Sondereigentum stehen

 

Normenkette

§ 62 ZPO

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer W klagt unter Bezugnahme auf eine beigefügte Eigentümerliste gegen "alle übrigen im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Grundbuch eingetragenen Wohnungs- und Teileigentümer" auf Feststellung, dass die vor seiner Wohnung gelegene Dachterrassenfläche zu seinem Sondereigentum gehöre. In der Liste sind nicht sämtliche Wohnungseigentümer aufgeführt.
  2. Das Amtsgericht stellt durch Versäumnisurteil fest, dass die Terrassenfläche in W's Sondereigentum steht, nachdem der für die beklagten Wohnungseigentümer aufgetretene Rechtsanwalt als vollmachtloser Vertreter zurückgewiesen worden war. Den dagegen eingelegten Einspruch verwirft das Amtsgericht als unzulässig: Die Vollmacht sei immer noch nicht nachgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung bleibt erfolglos.
  3. Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits ist der Antrag von Wohnungseigentümer W 1, die Unwirksamkeit des Versäumnisurteils festzustellen. Das Landgericht weist die Klage mangels Feststellungsinteresses als unzulässig ab. Die Berufung weist das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurück, dass die Klage als unbegründet abgewiesen werde. Mit der Revision verfolgt W 1 seinen Feststellungsantrag weiter.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Ein rechtsfehlerhaft nicht sämtliche notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO) erfassendes Urteil sei nicht unwirksam. Die Unwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen komme nur in extremen Ausnahmefällen bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels in Betracht. Derartige Ausnahmefälle seien in der Rechtsprechung angenommen worden bei Entscheidungen über einen bei dem Gericht nicht anhängigen Streitgegenstand, bei einem Urteil mit in sich widersprüchlichem oder unbestimmtem Tenor und bei Entscheidungen, die gegen eine nicht existente Partei ergangen oder auf eine dem Recht unbekannte Rechtsfolge gerichtet waren. Für das Zwangsversteigerungsverfahren sei entschieden, dass ein in schuldnerfremdes Eigentum eingreifender Zuschlag unwirksam sei, wenn ein verständiger Eigentümer nach dem Inhalt der veröffentlichten Terminbestimmung seine Betroffenheit nicht erkennen und deshalb auch bei Beachtung gehöriger Sorgfalt seine Rechte nicht habe wahren können.
  2. Hingegen sei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass ein vergleichbar schwerer Mangel nicht schon dann anzunehmen sei, wenn ein Urteil verfahrensfehlerhaft nur gegenüber einem Teil der notwendigen Streitgenossen ergangen ist. Der Annahme eines zur Nichtigkeit führenden besonders schweren Fehlers stehe zunächst entgegen, dass die Streitgenossen auch in den Fällen des § 62 ZPO stets selbstständige Streitparteien in jeweils besonderen Prozessrechtsverhältnissen zu dem gemeinsamen Gegner bleiben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass eine Klage gegen einzelne notwendige Streitgenossen nicht schlechthin ausgeschlossen sei, sofern sich die nicht verklagten zuvor zu der verlangten Leistung als verpflichtet bekannt hätten. Auch vor diesem Hintergrund komme dem rechtsfehlerhaften Erlass eines nicht alle notwendige Streitgenossen erfassenden Urteils nicht ein solches Gewicht zu, dass es gerechtfertigt erscheint, die Erfordernisse der Rechtssicherheit hintanzustellen und dem Urteil die Wirksamkeit zu versagen.
  3. Das gelte umso mehr, als ein solches Urteil keine Bindungswirkung gegenüber den nicht an dem Rechtsstreit beteiligten Streitgenossen entfalte. Zwar seien auch derartige Urteile der formellen und materiellen Rechtskraft fähig. Ihre Wirkung sei aber auf die in den Prozess einbezogenen Streitgenossen beschränkt. Das führe bei unterstellter notwendiger Streitgenossenschaft vorliegend dazu, dass nur zwischen den an dem Vorprozess beteiligten Parteien und damit auch zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits feststehe, dass die Terrassenfläche in W's Sondereigentum steht. Die an dem vorherigen Rechtsstreit nicht beteiligten Wohnungseigentümer seien an diese Feststellung dagegen nicht gebunden und auch nicht prozessual gehindert, im Klageweg geltend zu machen, die Terrassenfläche gehöre nach wie vor zum gemeinschaftlichen Eigentum.
  4. Etwas anderes gelte nicht, weil es in dem Urteil des Vorprozesses um die Feststellung von Sondereigentum und damit um die Feststellung eines absoluten Rechts ging. Denn auch bei Urteilen, die die dingliche Rechtslage feststellen, werde die Rechtsinhaberschaft nicht mit Wirkung für und gegenüber jedermann gestaltet, sondern nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits festgestellt.
  5. Das Berufungsurteil halte auch im Übrigen den Angriffen der Revision stand. Soweit W 1 geltend mache, in dem damaligen Verfahren habe es an der Rechtshängigkeit gefehlt, weil die Klage lediglich dem insoweit nicht vertretungsbefugten Verwalter zugestellt worden sei, handle es sich um...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?