Leitsatz

Es entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung, dass Bürgschaftsverträge unwirksam sind, wenn sie erkennbarer Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Bürge sich allein aus emotionaler Verbundenheit zu dem Hauptschuldner verbürgt und die Übernahme der Bürgschaft ihn finanziell krass überfordert. Diese Grundsätze gelten bei Bürgschaftserklärungen von GmbH Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft regelmäßig nicht. Denn ein GmbH Gesellschafter verbürgt sich nicht lediglich aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner, sondern auch aufgrund eines eigenen wirtschaftlichen Interesses. Mit Urteil vom 14.2.2007 hat das OLG Koblenz diese Rechtsprechung bestätigt und auch für den Fall keine Unwirksamkeit der Bürgschaft angenommen, dass der finanziell krass überforderte Bürge aufgrund einer zwischengeschalteten Gesellschaft kein unmittelbarer Gesellschafter der Hauptschuldnerin ist, sein wirtschaftliches Interesse aber dem eines Gesellschafters gleicht. Weiterhin hat das OLG Koblenz entschieden, dass es sich bei einer Beteiligung von 8,93 % um keine Bagatell- oder Splitterbeteiligung handelt.

 

Hinweis

Eine Bürgschaftserklärung eines 8,93 %igen Gesellschafters einer zwischengeschalteten zu 100% an der Hauptschuldnerin beteiligten GmbH ist auch dann wirksam, wenn der Bürge durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell krass überfordert ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (statt aller BGH, MDR 2003, 342) hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossenen Bürgschaftserklärungen entscheidend von dem Verhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang einerseits und der Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner emotional verbundenen Bürgen andererseits ab. Demnach sind Bürgschaftsverträge unwirksam, wenn sie erkennbarer Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind und mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastungen begründen. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Bürge sich aus emotionaler Verbundenheit zu dem Hauptschuldner verbürgt und im Bürgschaftsfall nicht einmal in der Lage ist, die laufenden Zinsen der Hauptschuld mit Hilfe des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens zu tragen. In dieser Konstellation muss das wirtschaftliche Interesse der Bank an der Bürgschaft zurückstehen.

Diese Grundsätze gelten jedoch für Bürgschaftserklärungen von GmbH Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der GmbH regelmäßig nicht. Denn die gängige Bankenpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten Bürgschaften von Mitgesellschaftern zu verlangen, soll von dieser Rechtsprechung nicht berührt werden (BGH, MDR 2003, 342, 343). So überwiegt in diesen Fällen das grundsätzlich berechtigte Interesse der Banken an der persönlichen Haftung des hinter der Gesellschaft stehenden, aus eigenen finanziellen Interessen handelnden Gesellschafters gegenüber den Interessen des Bürgen. Daher können weder die finanzielle Überforderung noch seine emotionale Verbundenheit mit einem Gesellschafter die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB begründen.

In Ausnahmekonstellationen ist aber auch bei einem GmbH Gesellschafter ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Bürgschaft zu verneinen, so dass auch die Abgabe einer Bürgschaftserklärung eines Gesellschafters gegen § 138 BGB verstoßen kann. Praktisch relevant ist dabei der Fall, dass dem Gesellschafter lediglich eine Bagatell- oder Splitterbeteiligung zusteht, so dass das wirtschaftliche Interesse des Bürgen deutlich in den Hintergrund tritt. Wann eine solche Bagatell- oder Splitterbeteiligung vorliegt, ist bisher noch nicht entschieden worden. Dies ist aber jedenfalls bei einer 10%igen Beteiligung nicht der Fall, da Gesellschaftern ab einer 10 %igen Beteiligung gemäß § 50 GmbHG Minderheitsrechte zustehen (BGH, MDR 2003, 342, 343).

Das OLG Koblenz hat vorliegend entschieden, dass eine fast 9 %ige Beteiligung auch keine Bagatell- oder Splitterbeteiligung in diesem Sinne darstellt. Diese Wertung sei dem § 17 EStG zu entnehmen, wonach der Gesetzgeber davon ausgehe, dass eine Bagatell- oder Splitterbeteiligung erst ab einer Beteiligung unter einem Prozent vorliegt.

Aufgrund einer wertenden Betrachtung hat das OLG Koblenz die eingeschränkte Anwendbarkeit der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Gesellschafterbürgschaften auch - und das ist neu - für den Fall bejaht, in dem keine unmittelbare Beteiligung an der Gesellschaft (Hauptschuldner) selbst, sondern eine Beteiligung an einer zwischengeschalteten GmbH bestand, die zu 100% an der Hauptschuldnerin beteiligt war.

Denn der wesentliche Aspekt der Nichtanwendbarkeit der Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften ist wirtschaftlicher Natur. Daher überwiegt das berechtigte Interesse der Banken an der persönlichen Haftung des hinter der Gesellschaft stehenden, aus eigenen finanziellen Interessen handelnden Gesellschafters auch in diesem Fal...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge