Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 43 WEG, § 17a GVG
Kommentar
1. Nach bisheriger BGH-Rechtsprechung wird zur Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem Wohnungseigentumsgericht und dem Prozessgericht darauf abgestellt, ob ein Beklagter (Antragsgegner) bei der Zustellung der Klageschrift (Antragsschrift) - also im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit - noch Miteigentümer war oder ob er sein Eigentum zu diesem Zeitpunkt bereits verloren hatte. Wohnungseigentumsgerichtliche Zuständigkeit soll dabei nur dann gegeben sein, wenn der Beklagte (Antragsgegner) im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Anspruchs noch Miteigentümer war (BGH, NJW 65, 1763 und NJW 89, 714). Dieser Auffassung folgte bisher auch die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur. Das Gericht schließt sich hier der (wohl) im Vordringen befindlichen gegenteiligen Ansicht an, dass Forderungen der Gemeinschaft insbesondere auf Wohngeld auch dann vor das Wohnungseigentumsgericht gehören, wenn (frühere) Wohnungseigentümer bei der Zustellung der Klage - bzw. Antragsschrift - bereits aus der Gemeinschaft ausgeschieden sein sollten (vgl. KG Berlin, NJW-RR 88, 842 = WE 88, 103; LG Krefeld vom 27. 6. 1979 ZMR 80, 189; Wenzel in Staudinger, § 43 Rn. 9; Briesemeister, ZMR 98, 321/326; Weitnauer § 43 Rn. 14; Deckert, ETW, Gruppe 7, Abschnitt 2.3; Röll, Münchner Kommentar § 43 Rn. 25 und Sauren, Rechtspflege 88, 18).
2. Auch nach Ansicht des AG kann die Zuständigkeit nach § 43 Abs. 1 WEG problemlos sachbezogen interpretiert werden. Es genügt daher, dass ein Anspruch "seine Grundlage im gemeinschaftlichen Eigentum oder in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hat". Auch Ansprüche gegen einen ausgeschiedenen Verwalter sind selbst nach BGH-Rechtsprechung vor den WEG-Gerichten auszutragen; für eine Differenzierung insoweit hinsichtlich ausgeschiedener Eigentümer lassen sich deshalb keine überzeugenden Argumente finden. Es ist auch zu bedenken, dass nach zutreffender Ansicht ein aus der Gemeinschaft ausgeschiedener Eigentümer in der Lage sein muss, noch solche Beschlüsse anzufechten, die vor seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaft gefasst wurden (vgl. Wenzel, § 43 Rn. 10 m.w.N. im Staudinger). Auch solche Anfechtungsanträge müssen schon deshalb nach § 43 Abs. 1 WEG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden, weil anders die Rechtskrafterstreckung nach § 45 Abs. 2 WEG nicht erreicht werden kann. Das derzeit zerrissene und in sich widersprüchliche Bild der Zuständigkeit von WEG-Gerichten vermag nicht zu überzeugen. Einheitliche Zuständigkeit der WEG-Gerichte kann auch nur auf diese Weise die Einheitlichkeit des Instanzenzuges wahren, um sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (was in der Entscheidung an Beispielen erläutert wird). Die Abgrenzung nach dem Verlust der Eigentümerstellung erweist sich nach Ansicht des Gerichts als kein sachlich geeignetes Kriterium für die Zuständigkeitsbestimmung, zumal hier Zufälligkeiten in zeitlicher Hinsicht eintreten können. Wohnungseigentumsgerichte sind auch mit der Streitmaterie eher als ein Prozessgericht vertraut. Es scheint daher wenig überzeugend, diesen Vorteil der größeren Sachnähe und Erfahrung auf diesem Rechtsgebiet ohne zwingenden Grund aufzugeben.
Die vom BGH vertretene Auffassung lässt sich auch nicht stichhaltig mit dem Gesichtspunkt der "Rechtssicherheit" in der Zuständigkeitsfrage rechtfertigen, zumal nennenswerte Sachargumente nicht zu finden sind. Auch eine Berufung auf eine langjährige Übung der Gerichte kann für sich alleine nicht auf Dauer eine tragfähige Entscheidungsgrundlage abgeben. Zudem sollten die Beteiligten nicht Zeit und Geld für unnötige Zuständigkeitsstreitigkeiten aufwenden müssen.
Sprechen nach alledem gravierende Gründe für eine Änderung der Rechtsprechung in dieser Zuständigkeitsfrage, so rechtfertigt allein die langjährige Praxis des BGH, Prozessgerichte für zuständig zu halten, kein Festhalten an dieser Rechtsprechung.
3. Um Verfahrenskosten möglichst gering zu halten und um zunächst eine Klärung über die Frage der Zuständigkeit zu ermöglichen, kann das Gericht auch noch von einer Entscheidung in der Sache selbst absehen; dies gerade auch deshalb, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, erst die Frage der Zuständigkeit der WEG-Abteilung gem. § 17a GVG einer abschließenden Klärung zuzuführen. Aus diesem Grund wurde amtsgerichtlich Feststellung beschlossen, dass die WEG-Abteilung des AG für die Entscheidung des Verfahrens zuständig sei und die Entscheidung in der Sache selbst - einschließlich der Kostenentscheidung - dem Schlussbeschluss vorbehalten bleibe.
Link zur Entscheidung
( AG Kerpen, Beschluss vom 29.10.1998, 15 II 46/98, mitgeteilt von RA Köhler, Köln)
zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Diese neue amtsgerichtliche Entscheidung zu einem alten verfahrensrechtlichen Problem erscheint mir durchaus vertretbar und auch überzeugend; die frühere Rechtsprechung des BGH hat keine überzeugenden Gründe benannt, warum hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit be...