Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 284 BGB, § 286 Abs. 1 BGB, § 289 BGB, § 340 Abs. 2 BGB, § 341 BGB
Kommentar
(BGH folgt der Vorlage des KG Berlin)
Im Leitsatz dieser neuen Entscheidung hat der BGH festgeschrieben, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht befugt sei, durch Mehrheitsbeschluss auf rückständige Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums (Hausgeldrückstände) unabhängig von Eintritt und Höhe eines Verzugsschadens pauschal 10% Zinsen zu erheben, es sei denn, sie wäre dazu durch Teilungserklärung oder Vereinbarung ermächtigt.
Eine Gemeinschaft hatte mehrheitlich beschlossen, dass Hausgeldrückstände ohne Nachweise eines konkreten Schadens mit 10% p. a. zu Händen der Gemeinschaft zu verzinsen seien.
Ob dies auch durch Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung mangels Vereinbarung in der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung möglich sei, war bisher umstritten. Während das BayObLG in seiner Entscheidung vom 3. 3. 1988 eine abstrakte Verzinsung von Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinschaft in Höhe von 15% p. a. für zulässig hielt, da insoweit nur die gesetzliche Verpflichtung eines säumigen Schuldners zum Schadenersatz aus § 288 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGBpauschaliert werde, wurde dies vom OLG Celle und vorlegenden KG Berlin verneint. Der BGH folgte hier der Meinung des vorlegenden KG mit der entscheidenden Begründung, dass die angefochtene Regelung die gesetzliche Zuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung überschreite und ein Mehrheitsbeschluss § 10 Abs. 1 S. 2, § 23 Abs. 1 WEG verletze. Dabei könne offenbleiben, ob (auch) ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 WEG vorliege, d. h., ob diese Kostenverteilungsvorschrift einer Erhebung schadensunabhängiger Zinsen auf rückständige Hausgeldbeiträge entgegenstehe.
Von Bedeutung sei auch nicht, ob es sich bei einer solchen Regelung ähnlich einer Gemeinschaftsstrafe analog §§ 341, 340 Abs. 2 BGB um einen gegenüber § 288 Abs. 1 BGB erweiterten Mindestschadenersatz oder um eine Pauschalierung der weitergehenden Schadenersatzpflicht aus § 288 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB handle. Die vom BayObLG zwischen Strafzins und Pauschalierungszins vorgenommene Differenzierung könne jedenfalls nicht Maßstab für die Beurteilung der Frage sein, ob nicht die eine oder die andere Art der Verzinsung eine Regelung durch Mehrheitsbeschluss zulasse. Die Gemeinschaft habe jedenfalls nicht die Kompetenz, den Kreis der Verwaltungstätigkeit durch Mehrheitsbeschluss nach Belieben auszudehnen. Es genüge nicht, dass eine Verzinsungspflicht auf Zahlungsrückstände geeignet sei, Liquiditätsschwierigkeiten der Gemeinschaft zu vermeiden und die Durchsetzung von Verwaltungsbeschlüssen in Blickrichtung auf § 28 Abs. 5 WEG zu erleichtern.
Die Zuordnung einer Maßnahme zur ordnungsgemäßen Verwaltung lasse sich nicht unter dem Gesichtspunkt bloßer Zweckdienlichkeit vornehmen; andernfalls könnte nämlich auch die Einführung eines Strafzinses für säumige Beitragsschuldner der Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss überlassen werden. Es komme nicht auf den mit der Beschlussfassung verfolgten Zweck, sondern auch darauf an, ob die beschlossene Maßnahme einen Inhalt habe, der mit der Grundordnung des Gemeinschaftsverhältnisses vereinbar sei, oder ob er den danach zulässigen Rahmen der Verwaltung sprenge. Eine solche, unabhängig von der Schadenshöhe im Einzelfall beschlossene Pauschalierung, gestalte den gesetzlichen Schadenersatzanspruch nach BGB um; sie bewirke nicht nur eine bedenkliche Umkehr der Beweislast, sondern auch eine Änderung der Voraussetzungen und Folgen schuldrechtlicher Ansprüche im Gemeinschaftsverhältnis (hier der §§ 284, 286 und 291 BGB). An die Stelle einer begrenzten Verzinsungs- und unbegrenzten Schadenersatzpflicht könne nicht die Pauschalleistung ohne Rücksicht auf Entstehung und Höhe eines Schadens treten.
Zu entscheiden sei auch nicht darüber, ob der Mehrheitsbeschluss nichtig sei; jedenfalls sei er nicht rechtmäßig, da er § 10 Abs. 1 S. 2 WEG verletze. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG müsse nach Sinn und Zweck analog angewendet werden, wenn das Gemeinschaftsverhältnis in einem Bereich geändert werden solle, der durch die allgemein für Schuldverhältnisse maßgebenden gesetzlichen Vorschriften bestimmt wird (wie hier).
Aus diesem Grund ist eine vom konkreten Verzugsschaden unabhängige Erhebung von mehr als 4 % Zinsen auf rückständige Hausgeldbeiträge durch Mehrheitsbeschluss nicht möglich, es sei denn, eine höhere Pauschalierung wäre aufgrund einer Ermächtigung durch Vereinbarung oder Teilungserklärung gedeckt (wie hier nicht).
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 11.07.1991, V ZB 24/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Mit dieser Entscheidung hat der BGH erneut eine bisher heftig umstrittene Frage zum Komplex Hausgeldsäumnis geklärt, allerdings m. E. in sehr formalistischer und doch überraschender Betrachtungsweise (Verstoß gegen § 10 Abs. 1 S. 2 WEG analog), weniger in Blickrichtung auf die Interessen der G...