Leitsatz

Verwalter als "Störer" passivlegitimiert

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG

 

Kommentar

1. Maßnahmen des Verwalters, die darauf abzielen, durch die Auslösung eine sog. Prangereffektes einen Eigentümer-Wohngeldschuldner zur Zahlung zu bewegen, sind mit der Rechtsordnung nicht vereinbar; dies gilt auch dann, wenn es sieh um die Bekanntgabe und Verbreitung wahrer Tatsachen handelt.

2. Der im vorliegenden Fall öffentlich angebrachte Aushang im Flur des Haupteinganges der Wohnanlage mit Hinweis auf Wohngeldschulden eines Eigentümers verletzt diesen (den Antragsteller) in seinem Recht auf Schutz der persönlichen Sphäre und seines wirtschaftlichen Rufs (Verletzung allgemeiner Persönlichkeitsrechte). Er wird durch öffentlichen Aushang in unnötiger Weise als säumiger Schuldner gegenüber der Allgemeinheit bloßgestellt; diese Beeinträchtigung muss er nicht hinnehmen, auch wenn durch einen solchen Aushang Schuldner offensichtlich dazu bewegt werden sollen, ihre Schulden zu bezahlen. Eine derartige Nötigungshandlung ist ein rechtswidriger Angriff auf den wirtschaftlichen Ruf und das persönliche Ansehen der betreffenden Eigentümer.

Dem berechtigten Interesse, die privatrechtlichen Ansprüche - wie hier - durchzusetzen, ist dadurch hinreichend Genüge getan, dass dem Gläubiger der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung eröffnet sind. Maßnahmen, die darauf abzielen, durch die Auslösung eines sog. Prangereffektes Schuldner zur Zahlung zwecks Meidung persönlicher und wirtschaftlicher Bloßstellung zu bewegen, sind mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar; dies gilt auch dann, wenn es sich um die Bekanntgabe und Verbreitung wahrer Tatsachen handelt (vgl. schon BGH, NJW 53, 297). Ein solcher Aushang ist nicht nur den übrigen Miteigentümern zugänglich, sondern gleichermaßen Mietern, Besuchern, Handwerkern usw. Zu einer derart einschneidenden Maßnahme besteht kein rechtfertigender Anlass. Miteigentümer können unschwer auf Eigentümerversammlungen und durch Rundschreiben unterrichtet werden. Die mit der Bloßstellung des betroffenen Eigentümers verbundene Beeinträchtigung, die schon mit dem Aushang allein verbunden ist und hier noch dadurch verstärkt wird, dass Dritte, die sich, für die zum Verkauf angebotene Wohnung interessieren, jederzeit Kenntnis nehmen zu können, liegt auf der Hand.

3. Gegen die Störereigenschaft des Antragsgegners (Verwaltung) bestehen auch dann keine Bedenken, wenn er aufgrund eines Beschlusses der Gemeinschaft tätig geworden ist. Ob ein Verwalter rechtswidrige Beschlüsse zur Ausführung bringt, ist von ihm selbst zu entscheiden; er kann insoweit nicht mit weisungsgebundenen Arbeitnehmern verglichen werden, denen mangels hinreichender Eigenständigkeit die Störerqualität abzusprechen ist. Unerheblich ist schließlich auch, ob neben dem Antragsgegner die Wohnungseigentümergemeinschaft in Anspruch genommen werden kann.

4. In dieser Sache erging ein Gerichtsbeschluss im Wege einer einstweiligen Verfügung (?) folgenden Inhalts:

1. Der Antragsgegner hat es, bei Meldung eines Ordnungsgeldes bis 500.000 DM, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an seinem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen, in einem öffentlichen Aushang im Flur des Haupteinganges der "Wohnanlage..." bekannt zu geben, dass der Antragsteller der Wohnungseigentümergemeinschaft der "Wohnanlage ..." Wohngeldrückstände schuldet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Beschwerdewert 2.000 DM.

 

Link zur Entscheidung

( LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.07.1994, 2-01 T 50/94)

Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Die Entscheidung dürfte vom Ergebnis her nach deutschem Recht (insbesondere aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen) nicht zu beanstanden sein.

Im Ausland (z. B. meines Wissens in Italien) scheint allerdings der Persönlichkeits- und Reputationsschutz eines Eigentümer-Schuldners vereinzelt nicht so weit zu gehen, wie in deutscher Rechtsordnung, da dort "schwarze Schuldner-Tafeln" im Hauseingangsbereich gestattet bzw. zumindest "praktiziert" werden.

Nach deutschem Wohnungseigentumsrecht können allein entsprechende Auskünfte miteigentümerseits vom Verwalter gefordert werden; zulässig ist sicher auch die Übersendung von Schuldnerlisten an interessierte oder m. E. auch an alle Eigentümer in Form von Anlagen zu Abrechnungen, Wirtschaftsplänen oder Versammlungsprotokollen, ohne dass damit m.E. datenschutzgesetzliche Bestimmungen verletzt werden. Oft erst mit solchen Hinweisen/Auskünften können kalkulierte Wirtschaftspläne vor Beschlussfassung auf Angemessenheit oder auch pflichtgemäßes Inkasso-Verhalten eines Verwalters überprüft werden.

Zur "Störer-Eigenschaft" des Verwalters hätte sich m. E. das Gericht allerdings mit der zwingenden Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG (Beschlussdurchführung!) näher beschäftigen müssen. Muss denn jeder Verwalter die (mögliche) Rech...

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