Leitsatz
- Als Teilbesitzer kann ein Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern Besitzschutzansprüche geltend machen hinsichtlich seines Sondereigentums und des Teils des Gemeinschaftseigentums an dem ihm ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist.
- Ein anderer Wohnungseigentümer kann gegenüber dem Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Nutzung seines Wohnungseigentums ein auf die Beseitigung einer baulichen Veränderung gestütztes Zurückbehaltungsrecht nicht geltend machen.
Sachverhalt
In einer aus zwei Wohnungen bestehenden Wohneigentumsanlage besteht Streit hinsichtlich der im Gemeinschaftseigentum stehenden Doppelgarage, an deren Stellplätzen den Wohnungseigentümern jeweils ein Sondernutzungsrecht zusteht. Die Eigentümerin der einen Wohnung begehrt Beseitigung der auf ihrer Sondernutzungsfläche abgestellten Gegenstände des anderen Wohnungseigentümers. Dieser nun macht hinsichtlich dieses Anspruchs Zurückbehaltungsrechte derart geltend, daß er erst zu einer Beseitigung der Gegenstände bereits sei, wenn die Wohnungseigentümerin wieder den im Gartenbereich befindlichen Brunnen in einen gebrauchsfähigen Zustand versetze.
Entscheidung
Es steht selbstverständlich außer Frage, daß der Wohnungseigentümer dem Grunde nach verpflichtet ist, den Bereich der im Sondernutzungsrecht stehenden Garagenfläche der Wohnungseigentümerin zu räumen und an diese herauszugeben. Der Schwerpunkt der Entscheidung lag daher bei dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht wegen der Brunnenanlage.
Das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB hat im wesentlichen drei Voraussetzungen: 1. Jede der beiden Personen muß gegen die andere einen Anspruch haben, was man mit der Gegenseitigkeit der Ansprüche bezeichnet; 2. Der Anspruch des Schuldners muß fällig sein; 3. Der Anspruch des Gläubigers und der Gegenanspruch des Schuldners müssen auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen, was man auch mit der Konnexität der Ansprüche umschreibt.
Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies: Die Voraussetzung der Gegenseitigkeit ist erfüllt, da sich diese bereits aus den Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander ergibt. Weiter ist die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gegen Besitzschutz- und Unterlassungsansprüchen nicht von vornherein ausgeschlossen. Hier aber steht die Natur der Schuldverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegen.
Die Nutzung eines Garagenstellplatzes, die der Wohnungseigentümerin vorenthalten wird und weiter vorenthalten werden soll, steht in enger Beziehung zur Wohnung selbst. Gegenüber dem Nutzungsanspruch eines Wohnungseigentümers kommt die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen in Betracht. Verschiedentlich wurde die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, die einen Wohnungseigentümer weitgehend an der Nutzung seines Eigentums hindert nur als Notmaßnahme zur Durchsetzung erheblicher Wohngeldforderungen zugelassen, die ansonsten nicht hätten beigetrieben werden können. Ein derartiger Extremfall lag hier jedoch nicht vor. Zu berücksichtigen war auch das hohe Alter der Wohnungseigentümerin, die ein schutzwürdiges Interesse an der Garagennutzung hat.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 05.02.1998, 2Z BR 140/97
Fazit:
Das Zurückbehaltungsrecht konnte hier natürlich tatsächlich nicht geltend gemacht werden, da es in jedem Fall unverhältnismäßig gewesen wäre. Der Wohnungseigentümer hätte hier aber statt dessen auch die Möglichkeit der Ersatzvornahme gehabt. Diese Möglichkeit eröffnet § 43 Abs. 3 WEG. Erweist sich demnach der Antrag auf Wiederherstellung der Brunnenanlage als begründet, so kann er im Wege der Zwangsvollstreckung die Instandhaltung auf Kosten der Wohnungseigentümerin selbst vornehmen oder vornehmen lassen. Selbstverständlich muß aber in einem gesonderten Verfahren geklärt werden, ob der Anspruch zu recht besteht.