Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
Rz. 736
Grundsätzlich können Beschlüsse der Gesellschafter einer KG nach dem Mehrheitsprinzip gefasst werden, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht, §§ 119 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB. Ist Beschlussgegenstand eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, macht die Rechtsprechung die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses davon abhängig, dass sich der Beschlussgegenstand unzweideutig – sei es auch nur durch Auslegung – aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt. Mehrheitsklauseln haben keine Geltung, wenn die angestrebte Vertragsänderung in den Kernbereich der Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters eingreift und Ausmaß und Umfang einer solchen denkbaren Änderung nicht von vornherein im Zusammenhang mit der Einigung über die Mehrheitsklausel satzungsmäßig bestimmt worden sind. Die pauschale Vereinbarung, dass Vertragsänderungen mehrheitlich beschlossen werden können, reicht also nicht. Dieser sog. Bestimmtheitsgrundsatz dient dem Schutz der Minderheit vor einem Machtmissbrauch der Mehrheit. Dieser Schutz ist in einer personalistisch strukturierten KG von besonderer Bedeutung, da hier missbräuchliche Eingriffe nicht nur die Vermögensbeteiligung, sondern auch den persönlichen Lebensbereich eines Gesellschafters beeinträchtigen, wenn er mit seiner Beteiligung an der Geschäftsführung seinen Beruf ausübt.
Rz. 737
Für Publikumsgesellschaften gilt dieser Bestimmtheitsgrundsatz dagegen weitgehend nicht. Hier sind Mehrheitsentscheidungen über Vertragsänderungen aufgrund einer pauschalen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich wirksam, da hier die Verhältnisse typischerweise anders liegen. Der entscheidende Unterschied ist, dass bei Publikumsgesellschaften die Gesellschaftsverträge von den Gründungsgesellschaftern formuliert werden und die Kommanditisten typischerweise keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Verträge haben. Derartige Verträge werden daher in der Regel keinen Katalog für die wichtigsten Vertragsänderungen vorsehen, die bei einem Versagen der Geschäftsführung, bei einem drohenden Scheitern des Gesellschaftszwecks oder in ähnlichen Fällen vernünftigerweise zu beschließen sind. Hielte man unter diesen Umständen auch hier am Bestimmtheitsgrundsatz fest, würde dies dazu führen, dass vielfach eine vernünftige Fortentwicklung des Gesellschaftsunternehmens unmöglich sein würde und selbst an krisenhaften Zuständen nichts geändert werden könnte.
Rz. 738
Wenn ein Beschluss unter Verstoß gegen Gesetz oder Satzung gefasst wird, ist der Beschluss nichtig. Das ist etwa gegenüber einem Kommanditisten der Fall, der einer nicht im Gesellschaftsvertrag festgelegten, aber durch Beschluss begründeten Nachschusspflicht nicht zustimmt. Will sich ein Gesellschafter auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen, erfolgt dies durch eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die Feststellungsklage ist an keine Frist gebunden. Dies gilt nach Auffassung des BGH auch bei Publikumsgesellschaften, die wie eine Kapitalgesellschaft eine körperschaftliche Struktur aufweisen. Eine analoge Anwendung der Klagefrist der aktienrechtlichen Anfechtungsklage (§ 246 AktG) kommt nach Auffassung des BGH nicht in Betracht. Allerdings kann einer Feststellungsklage unter gewissen Umständen der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden. Ein Recht ist verwirkt, wenn es illoyal verspätet geltend gemacht wird. Dieser Tatbestand des Verstoßes gegen Treu und Glauben liegt dann vor, wenn zu einem längerem Zeitablauf besondere Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.