Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Jeder Zeuge ist nach § 57 zu belehren. |
2. |
Zusätzlich zur allgemeinen Zeugenbelehrung gem. § 57 sieht § 52 Abs. 3 S. 1 die Belehrung des Zeugen vor, dem als Angehöriger ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. |
3. |
Der Zeuge kann auf ein ihm ggf. zustehendes ZVR verzichten. |
4. |
Die Belehrung des Zeugen ist vor jeder neuen Vernehmung zu wiederholen, auch wenn er in einer früheren Vernehmung schon auf sein Weigerungsrecht hingewiesen worden ist und verzichtet hatte. |
5. |
Ist die Belehrung nach § 52 Abs. 3 S. 1 vergessen worden, kann sie nachgeholt werden. Ob die (nachgeholte) Belehrung den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der früheren Aussage enthalten muss, ist streitig. |
6. |
Unterbleibt die Belehrung über das ZVR, darf die Aussage des Zeugen nicht verwertet werden. |
7. |
Der Zeuge ist, wenn Anlass dazu besteht, ggf. auch über ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 zu belehren. |
Rdn 4184
Literaturhinweise:
Geppert, Die "qualifizierte" Belehrung, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 93
Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020
Ladiges, Zeugnisverweigerungsrecht und Zwischenrechtsbehelf, JuS 2011, 226
Leipold, Zulässige Einwirkung und Belehrung von Zeugen durch den Verteidiger, StraFo 1998, 79
Neuhaus, Zur Notwendigkeit der qualifizierten Beschuldigtenvernehmung – zugleich Anmerkung zu LG Dortmund NStZ 1997, 356, NStZ 1997, 312
Schünemann, Die Belehrungspflichten der §§ 243 IV, 136 n.F. StPO und der BGH, MDR 1969, 102
Stollenwerk, Belastungszeugen im Visier von Konfliktverteidigern, DRiZ 2017, 240
s.a. die Hinw. bei → Zeuge, Allgemeines, Teil V Rdn 4174, und bei → Zeuge, Vernehmung, Allgemeines, Teil Z Rdn 4256.
Rdn 4185
1.a) In der HV werden die Zeugen, wenn sie bereits bei Beginn der HV erschienen sind, zuweilen gleichzeitig nach dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 S. 1; → Gang der Hauptverhandlung, Aufruf der Sache, Teil G Rdn 2013) belehrt. Das ist zulässig (LR-Ignor/Bertheau, § 57 Rn 3). Später erschienene oder geladene Zeugen werden i.d.R. (erst) vor ihrer Vernehmung belehrt (s.a. Nr. 130 RiStBV).
Rdn 4186
b) Die allgemeine Zeugenbelehrung ist in § 57 geregelt (zum ZVR Teil Z Rdn 4187; zur Belehrung über ein → Auskunftsverweigerungsrecht Teil A Rdn 477 ff. u. Teil Z Rdn 4199). Sie wird vom Vorsitzenden ausgeführt, in dessen Ermessen die Form der Belehrung steht (BayObLGSt 1978, 154). Meist ermahnt er die Zeugen zur Wahrheit und belehrt sie darüber, dass sie ggf. vereidigt werden (§ 57 S. 2). Die Belehrung soll nach Nr. 130 RiStBV in das Protokoll aufgenommen werden. Ob es sich dabei um eine wesentliche Förmlichkeit i.S.d. § 273 handelt, sodass die Vermutung des § 274 gilt, ist str. (abl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 57 Rn 5 m.w.N.; KK/Bader, § 57 Rn 7; bejahend LR-Ignor/Bertheau, § 57 Rn 8; zu den Besonderheiten der Belehrung eines kindlichen Zeugen Deckers NJW 1999, 1367 und Mosbacher NStZ 2024, 263; a. noch Stollenwerk DRiZ 2017, 240).
☆ § 57 ist eine nur im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift , so dass mit ihrer Verletzung die Revision grds. nicht begründet werden kann ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 57 Rn 7 m.w.N.; zur sog. Beruhensfrage u.a. BGH NStZ 1990, 549 f.; BGH NStZ 1991, 398 [6-jährige Zeugin]; BGH NStZ 1995, 218 [K] m.w.N.; s. aber Teil Z Rdn 4198 ).Ordnungsvorschrift, so dass mit ihrer Verletzung die Revision grds. nicht begründet werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 57 Rn 7 m.w.N.; zur sog. Beruhensfrage u.a. BGH NStZ 1990, 549 f.; BGH NStZ 1991, 398 [6-jährige Zeugin]; BGH NStZ 1995, 218 [K] m.w.N.; s. aber Teil Z Rdn 4198).
Rdn 4187
2.a)aa) Zusätzlich zur allgemeinen Zeugenbelehrung gem. § 57 sieht § 52 Abs. 3 S. 1 die Belehrung des Zeugen vor, dem als Angehöriger ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (→ Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4349). Auch diese Belehrung obliegt dem Vorsitzenden, der sie nicht einem Dritten überlassen darf (st. Rspr.; s.u.a. BGHSt 9, 195; zuletzt BGH NStZ 1997, 349 [für Übertragung auf einen SV]). Die Belehrung erfolgt i.d.R. nach der → Vernehmung des Zeugen zur Person, Teil V Rdn 3766, und vor der → Vernehmung des Zeugen zur Sache, Teil V Rdn 3775. Sie muss mündlich erfolgen und dem Zeugen eine Vorstellung von der Bedeutung des ihm zustehenden ZVR vermitteln, ferner so verständlich sein, dass der Zeuge das Für und Wider seiner Aussage abwägen kann (BGHSt 32, 26; BGH NStZ 2006, 647). Es kann ausreichen, dass der Zeuge darauf hingewiesen wird, ihm stehe ein ZVR zu, "falls" er zu den Angehörigen i.S.d. § 52 Abs. 1 gehört. Das gilt aber nur, wenn der Zeuge weiß, dass er Angehöriger des Angeklagten ist. Geht der Zeuge davon aus, dass er das nicht (mehr) ist, bedarf es einer ergänzenden Belehrung (BGH NStZ 2006, 647). Der Vorsitzende muss aber nicht darauf hinweisen, dass die Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn der Zeuge in einer späteren HV die Aussage verweigert (BGHSt 32, 26; BGH NStZ 1985, 36).
☆ Der Verteidiger muss darauf achten, dass der Zeuge zutreffend belehrt wird: Denn soll er nach Möglich...