1 Leitsatz

Der Ausgleich der Mietrückstände unmittelbar nach Zugang des Kündigungsschreibens wegen Zahlungsverzugs kann bei tatrichterlicher Würdigung der konkreten Einzelfallumstände die Berufung auf die Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausnahmsweise als treuwidrig erscheinen lassen. Dies gilt nicht nur bei Wohnungsmietverträgen, sondern auch im Gewerberaummietrecht, bei dem das Gesetz keine Heilungsmöglichkeit der Kündigung durch Nachzahlung der Rückstände vorsieht. Auch insofern kommt eine Treuwidrigkeit der Kündigung in Betracht, wenn der Zahlungsrückstand geringfügig oder inzwischen ausgeglichen ist.

2 Normenkette

§§ 242, 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB

3 Das Problem

Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs, findet eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr sind die allein auf dem Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen (Zahlungsverzug) bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben ist und keinerlei Abwägungsvoraussetzungen zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Gesetzessystematik und den hierzu zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den im Gesetz aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründe um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses.

Sind deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben. Trotzdem kann im Einzelfall die Berufung auf die fristlose Kündigung treuwidrig sein. Der BGH weist darauf hin, dass zu prüfen ist, ob der Ausgleich der Mietrückstände unmittelbar nach Zugang des Kündigungsschreibens bei tatrichterlicher Würdigung der konkreten Einzelfallumstände die Berufung auf die ordentliche Kündigung ausnahmsweise als treuwidrig (§ 242 BGB) erscheinen lassen (BGH, Urteil v. 13.10.2021, VIII ZR 91/20).

4 Die Entscheidung

In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall bestand das Mietverhältnis über ein gewerblich genutztes Grundstück seit mehr als 12 Jahren. Versehentlich unterblieb Ende 2018 die Zahlung von 2 Monatsmieten. Unmittelbar nach Zugang der darauf gestützten fristlosen Kündigung des Vermieters glich der Mieter die Rückstände vollständig aus.

Das OLG Brandenburg sah die Berufung des Vermieters auf die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs als treuwidrig an, da der Mieter unmittelbar nach Erhalt der Kündigung den Rückstand ausgeglichen hat, in der Vergangenheit keine weiteren Zahlungsrückstände bestanden haben und keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es in Zukunft noch einmal zu Zahlungsrückständen kommen wird, da der Zahlungsverzug des Mieters zudem auf einem Versehen beruhte.

5 Entscheidung

OLG Brandenburg, Urteil v. 29.11.2022, 3 U 93/21

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