Anders als der spätere Attentäter Anis Amri in den Jahren 2015 und 2016 können Asylbewerber sich heute nicht mehr unbemerkt von den Behörden unter verschiedenen Identitäten in Deutschland aufhalten. Bei einer Anhörung des 1. Untersuchungsausschusses ("Breitscheidplatz") des Bundestags zum Thema Aufenthalts- und Asylrecht äußerten mehrere Sachverständige übereinstimmend diese Überzeugung.
Im Zusammenhang mit der Identitätsklärung gebe es "keinen Handlungsbedarf" mehr, sagte der Frankfurter Asylanwalt Stephan Hocks. Der Leiter des Sachgebiets Ausländer- und Asylrecht im bayerischen Innenministerium, Hans-Eckhard Sommer, nannte die Neuregelung der zentralen Erfassung von Fingerabdrücken und des Datenaustauschs zwischen allen mit Fragen des Ausländerrechts befassten Behörden eine "grundlegende Verbesserung" und die "wichtigste Änderung des Asylrechts" der vergangenen Jahre.
Gleichwohl müsse sich auf diesem Feld die Kooperation zwischen Bund und Ländern weiter intensivieren, lautete der Tenor der Anhörung. Er wolle keineswegs dem Zentralismus das Wort reden, sagte der Konstanzer Völkerrechtler Marcel Kau, indes: "Der Föderalismus hat im Sicherheitsbereich zumindest die eine oder andere offene Flanke." Sein emeritierter Konstanzer Kollege Kay Hailbronner sah von der "Durchsetzung und ordnungsgemäßen Anwendung des Ausländerrechts" sogar Grundfragen im Verhältnis zwischen Bund und Ländern berührt.
Es gehe dabei um nichts Geringeres als das Verfassungsprinzip der "Bundestreue", meinte Hailbronner. Gegen dieses hätten nach seiner Ansicht in der Vergangenheit manche Länder verstoßen, indem sie wissentlich nichts gegen Asylbewerber unternommen hätten, die sich unter grober Verletzung ihrer Wohnsitzverpflichtung illegal auf ihrem Gebiet aufgehalten hätten. Der normale Ermessensspielraum von Ausländerbehörden sei in diesen Fällen eindeutig überschritten gewesen. Kritik an nicht genannten Landesregierungen übte auch Sommer: Ausländerbehörden seien Sicherheitsbehörden und hätten mit anderen Sicherheitsbehörden zu kooperieren, sagte er. In Ländern, die ihre Ausländerbehörden als "Integrations-" oder "Willkommensbehörden" bezeichneten oder gar die Zuständigkeit für das Ausländerrecht vom Innen- auf das Familien- oder Integrationsministerium verschoben hätten, werde der falsche Weg beschritten.
Die anwesenden Juristen waren sich einig, dass dem Staat beim Versuch, unerwünschte Ausländer, auch terroristische Gefährder, loszuwerden, letztlich unüberwindbare Grenzen gesetzt sind. Jede Entscheidung über einen Aufenthaltstitel berühre auch unveräußerliche Grundrechte. Der Berliner Rechtsanwalt Rolf Stahmann wies darauf hin, dass die Freiheit ein hohes und von den Gerichten entsprechend geschütztes Verfassungsgut sei, weswegen das Instrument der Abschiebehaft nur sehr eingeschränkt anwendbar sei. Wenn sich ein Betroffener oder sein Herkunftsland hartnäckig der Ausreise verweigerten, bleibe also letztlich nichts anderes übrig, als eine Duldung auszusprechen.
[Quelle: Bundestag]
ZAP F., S. 473–478