Das BSG hat in zwei Entscheidungen vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R) und vom 12.10.2017 (B 11 AL 17/16 R) eine in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beurteilte Streitfrage zugunsten der Arbeitslosen entschieden:
In den beiden Fällen hatten die Klägerin bzw. der Kläger jeweils mit ihren Arbeitgebern das bestehende unbefristete Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Altersteilzeitvertrags in ein befristetes Vertragsverhältnis umgewandelt. Vereinbart wurde zunächst Altersteilzeitarbeit im Blockmodell, beginnend mit einer Arbeitsphase sowie einer anschließenden Freistellungsphase. Am Ende der Freistellungsphase bestand jeweils die Absicht, Altersrente mit Abschlägen zu beantragen.
Im Hinblick auf die zum 1.7.2014 neu geschaffene Möglichkeit, diese Rente gem. § 236b SGB VI ohne Abschläge erhalten zu können (Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die vor dem 1.1.1964 geboren sind), verwirklichten die Betroffenen zunächst nicht ihr ursprüngliches Vorhaben, sondern beantragten Arbeitslosengeld, um dann erst später, nach Erfüllung der Voraussetzungen, die abschlagsfreie Rente beantragen zu können. Die Bundesagentur für Arbeit stellte jeweils den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen fest.
In dem einen Verfahren (B 11 AL 25/16 R) hatte das LSG im Berufungsverfahren auf Klage der Klägerin die Sperrzeit wegen einer besonderen Härte auf 6 Wochen reduziert. Gegen diese Entscheidung hatte nur noch die Bundesagentur Revision eingelegt, die zurückgewiesen wurde.
In dem anderen Verfahren (B 11 AL 17/16 R) hatte der 1952 geborene Kläger 2006 einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen, wodurch das bisher unbefristete Arbeitsverhältnis in ein bis zum 31.7.2014 befristetes umgewandelt wurde. Ab dem 1.8.2014 sollte Altersrente beantragt werden. Das BSG entschied, dass die Voraussetzungen eines Sperrzeiteintritts nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) dann nicht vorliegen, wenn sich die Betreffenden für ihr Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen können. Das Gesetz sanktioniert versicherungswidriges Verhalten, dessen Voraussetzungen in § 159 Abs. 1 S. 2 SGB III definiert werden, nur wenn Arbeitslose für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund haben, § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III.
Der 7. Senat des BSG hat bereits durch Urteil vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R) geklärt, dass für den Fall der Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag sich Arbeitnehmer dann auf einen wichtigen Grund berufen können, wenn sie bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigen, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln, und eine entsprechende Annahme prognostisch objektiv gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens der Arbeitnehmer ist dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation und davon, ob bzw. ggf. wie sie diese unter Berücksichtigung welcher Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt haben.
Dieser Rechtsprechung schließt sich auch der 11. Senat an. Unerheblich ist demnach für die Beurteilung des wichtigen Grunds, ob die Betreffenden später von ihren ursprünglichen Rentenplänen wegen der mit Wirkung zum 1.7.2014 eingetretenen neuen Situation Abstand nahmen. Für die Beurteilung des wichtigen Grunds bedarf es keiner retrospektiven Prüfung, sondern einer in die Zukunft gerichteten Prognose und damit einer ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt des Lösungstatbestands. Das Vorliegen eines wichtigen Grunds ist demnach nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen, hier demnach auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrags. Die Zurückverweisung im Verfahren (B 11 AL 17/16 R) geschah, um zu klären, ob zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Grund bestand. Hierzu hatte das LSG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es wird nunmehr klären müssen, ob der Kläger realistischerweise 2006 davon ausgehen konnte, mit Vollendung des 62. Lebensjahrs einen Rentenanspruch zu haben. Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 Abs. 1 SGB VI stand ihm nicht zu, weil diese nur Personen beziehen konnten, die vor dem 1.1.1952 geboren sind. Ob der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt war und ihm deshalb unter den Voraussetzungen des § 265a SGB VI Rente zustand, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen nicht.
Hinweis:
Bei den gesetzlichen Altersrenten sind die in § 33 Abs. 2 SGB VI aufgezählten insgesamt 7 Rentenarten zu unterscheiden: Für die ersten fünf der dort genannten Renten finden sich die allgemeinen Bestimmungen in §§ 35–40 SGB VI, ferner die auf das Lebensalter abstellenden Sonderregelungen in §§ 235–236b und 238 SGB VI. Die Möglichkeit, Renten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit (§ 237 SGB VI) und die Altersrente für Frauen (§ 237a SGB VI) in Anspruch zu nehmen, bestand nur bis zum Jahre 2016.
Voraussetzung für den Bezug der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist u.a. eine Wartezeit von 45 Jahren (§§...