Syndikusanwälte können die Zulassung während Altersteilzeit behalten
Gemäß § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO ist die Zulassung als Syndikusanwalt ganz oder teilweise zu widerrufen, wenn die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2-5 BRAO entspricht. Danach muss die Arbeit des Syndikusanwalts durch eine unabhängige, weisungsfreie und eigenverantwortliche Prüfung von Rechtsfragen, das selbstständige Führen von Verhandlungen und einen insgesamt eigenverantwortlichen Außenauftritt geprägt sein.
Widerruf der Zulassung durch RAK
Im konkreten Fall hatte die RAK Berlin die Zulassung eines Syndikusanwalts widerrufen, nachdem dieser in die passive Phase der mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Altersteilzeit eingetreten war und dies der RAK mitgeteilt hatte. Der klagende Rechtsanwalt hatte für die Altersteilzeit das sogenannte Blockmodell gewählt, wonach er zunächst 2 Jahre in vollem Umfang weiterarbeitete (aktive Phase) und anschließend für weitere 2 Jahre von seiner Tätigkeit freigestellt war (passive Phase).
RAK verneinte Zulassungsvoraussetzungen in Freistellungsphase
Mit dem Eintritt in die Freistellungsphase hatte nach Auffassung der RAK die typische anwaltliche Tätigkeit des Syndikusanwalts geendet. Die gemäß § 46 BRAO definierten Voraussetzungen für die Zulassung zur Anwaltschaft waren nach Ansicht der Kammer damit nicht mehr gegeben. Der betroffene Anwalt klagte gegen den Widerruf der Zulassung vor dem AGH.
AGH sieht keinen Widerrufsgrund
Der AGH folgte der Argumentation der RAK nicht. Ein Widerrufsgrund gemäß § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO lag nach Auffassung des AGH nicht vor, denn auch in der Freistellungsphase bestehe das Arbeitsverhältnis mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten nach dem geschlossenen Aufhebungs- und Altersteilzeitvertrag fort.
AGH zieht Vergleich zur Freistellung während der Elternzeit
Der AGH verwies in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die Freistellung in der Elternzeit nur als zeitlich begrenzte Unterbrechung der Tätigkeit als Syndikusanwalt zu werten sei und deshalb keinen Widerrufsgrund darstelle (BGH, Urteil v. 18.3.2019, AnwZ 6/18). Nach Auffassung des AGH kann die Entscheidung des BGH auf die passive Phase der Altersteilzeit übertragen werden. Bei der Freistellungsphase in der Altersteilzeit handle es sich ähnlich wie bei der Elternzeit um eine zeitlich begrenzte Freistellung von der Arbeitsverpflichtung. Endgültig entfalle die Arbeitsverpflichtung erst mit Vertragsende.
Schützenswertes Interesse des Syndikusanwalts am Bestand der Zulassung
Wie bei der Freistellung in der Elternzeit hat der Syndikusanwalt nach Ansicht des AGH während der Freistellungsphase der Altersteilzeit ein schützenswertes Interesse, vor den mit einem Widerruf der Zulassung verbundenen Nachteilen bewahrt zu werden. An diesem Schutzbedürfnis ändere es nichts, dass der Anwalt nach Beendigung der Freistellungsphase nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.
Zulassungswiderruf verstößt gegen Diskriminierungsverbot
Der Widerruf der Zulassung in der Freistellungsphase würde nach Auffassung des AGH auch eine unzulässige Schlechterstellung der betroffenen Anwälte in Altersteilzeit gegenüber angestellten Anwälten bedeuten, unter anderem durch Verlust der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Angestellte Rechtsanwälte blieben auch in der Freistellungsphase von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Es sei kein sachlicher Grund für eine abweichende Handhabung bei Syndikusanwälten ersichtlich. Ein Widerruf der Zulassung verstoße deshalb gegen das Gebot der Gleichbehandlung und damit gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.
Zulassung bleibt während Altersteilzeit bestehen
Im Ergebnis war die Klage des betroffenen Syndikusanwalts damit erfolgreich. Er kann seine Zulassung auch während der Freistellungsphase der Altersteilzeit behalten.
(AGH Berlin, Urteil v. 13.3.2024, I AGH 7/21)
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