Der Beschwerdeführer bezog Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Anfang 2012 ging das Jobcenter davon aus, er lebe mit einer weiteren Person in einer zur Bedarfsgemeinschaft zählenden Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Leistungen wurden daher gem. § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II nur unter Anrechnung von deren Einkommen bewilligt.
Auf Antrag verpflichtete das Sozialgericht das Jobcenter, dem Beschwerdeführer im Rahmen des Eilrechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen Alleinstehenden einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig zu gewähren. Im Beschwerdeverfahren lehnte das LSG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab, da es an dem erforderlichen Anordnungsgrund fehle. Maßgebliches Kriterium hierfür sei nicht die Vermeidung von Mehrkosten, sondern die drohende Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit. Diese sei nach ständiger Rechtsprechung des LSG grundsätzlich erst bei fristloser Kündigung des Mietverhältnisses und Rechtshängigkeit einer Räumungsklage anzunehmen.
Das BVerfG entschied durch Kammerbeschluss vom 1.8.2017 (stattgebende Verfassungsbeschwerde), die Entscheidung des LSG hinsichtlich der Ablehnung der Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 S. 1GG (1 BvR 1910/12, ZAP EN-Nr. 577/2017 = SGb 2017, 643 m. Anm. Wunder, ferner hierzu Theersfeld jurisPR MietR 24/2017 Anm. 5, nunmehr ebenso: LSG NRW, Beschl. v. 6.12.2017 – L 7 AS 2132/17 B ER, ZAP EN-Nr. 184/2018).
Das BVerfG beanstandet, das LSG habe die Beurteilung des Anordnungsgrunds nur schematisch vorgenommen, indem es bei der Prüfung des Anordnungsgrunds allein auf die Erhebung der Räumungsklage abgestellt hat. Zu prüfen sei vielmehr, ob ein wesentlicher Nachteil i.S.d. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG im konkreten Einzelfall vorliegt. In Verfahren des Eilrechtsschutzes zu den Kosten der Unterkunft ist daher zu klären, welche negativen Folgen konkret drohen. Wesentliche Nachteile können nicht nur in einer Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit liegen, auch negative Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art sind zu berücksichtigen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gebietet eine Auslegung und Anwendung der die Einlegung von Rechtsbehelfen regelnden Vorschriften, die die Bestreitung des eröffneten Rechtswegs nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren.
Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden.
Mietrechtlich ist zu beachten:
Nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, der Verlust der Wohnung könne noch sicher abgewendet werden: Bei Zahlung des rückständigen Mietzinses innerhalb von 2 Monaten nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage wird zwar nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses unwirksam, unberührt bleibt jedoch hierdurch die Wirksamkeit einer – hilfsweise erklärten – ordentlichen Kündigung. Ob im Fall der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsunfähigkeit die Mietpartei wegen fehlenden Verschuldens hieran entlastet werden kann (s. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), ist gesondert zu klären (s. näher BGH, Urt. v. 16.2.2005 – VIII ZR 6/04 Rn 13 ff., hierzu Börstinghaus jurisPR-MietR 6/2005 Anm. 3).
Wunder (SGb 2017, 645) begrüßt die verfassungsrechtliche Interpretation des BVerfG, weil ohne eine gesicherte Unterkunft ein verfassungsrechtlich garantiertes menschenwürdiges Existenzminimum des Einzelnen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht vorstellbar ist, sie verweist aber gleichzeitig darauf, das Gericht habe in dem Nichtannahmebeschluss vom 18.4.2016 (1 BvR 704/16, SGb 2017, 645) bei einer Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung von Eilrechtsschutz im Zusammenhang mit Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB XII wendete, eine konträre Ansicht vertreten, ohne in der jetzigen Entscheidung eine Abgrenzung vorzunehmen.