Der 1958 geborene Kläger bezog zunächst Krankengeld, später Arbeitslosengeld. Am 11.3.2013 nahm er an einer sog. ERGOS-Untersuchung zur Ermittlung seines Leistungsvermögens teil. Sein Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wurde am 11.7.2013 abgelehnt. In der Vergangenheit hatte der Kläger Anträge auf Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf sein Kapitalvermögen und sein von ihm bewohntes Haus mit 110 m² Wohnfläche zurückgenommen. Am 8.8.2013 stellte er einen solchen Antrag erneut, weil er nur noch 150 EUR Bargeld habe und kein Darlehen von seiner Bank erhalte. Das Arbeitsverhältnis bestand während der gesamten Zeit fort, nach Angaben des Klägers war eine Wiederaufnahme der Arbeit noch ungeklärt. Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 12.8.2013 ab dem 1.8.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen, weil sein Haus verwertbares Vermögen sei. Ab dem 2.9.2013 führte der Kläger eine Arbeitserprobung auf einem neu geschaffenen Arbeitsplatz durch und nahm ab dem 21.10.2013 die Arbeit wieder auf. Die Leistungen stellte die Beklagte danach ab dem 1.11.2013 ein.
Der Widerspruch des Klägers, mit dem er beanspruchte, die Leistungen als Zuschuss statt als Darlehen zu erhalten, blieb ebenso erfolglos wie seine Klage und die Berufung. Auf die Revision des Klägers hin wurden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und der Bescheid des beklagten Jobcenters dahingehend geändert, dass der Kläger für die strittige Zeit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss und nicht nur als Darlehen hat (BSG, Urt. v. 30.8.2017 – B 14 AS 30/16 R, ArbuR 2017, 469 f.).
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss sind §§ 19 ff. i.V.m. 7 ff. SGB II. Das Gericht prüfte dann ausführlich, gleichsam "schulmäßig", ob das Hausgrundstück des Klägers im streitbefangenen Zeitraum in einer seine Hilfebedürftigkeit zum Wegfall bringenden Weise als Vermögen gem. § 12 SGB II zu berücksichtigen ist:
- Das Hausgrundstück ist generell als Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar (Rn 15 f.).
- Wegen der nicht angemessenen Wohnfläche von 110 m² ist das Grundstück nicht nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II als selbstgenutztes Hausgrundstück schlechthin vor einer Verwertung geschützt (Rn 17 ff.). Nach dieser Norm ist nur ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Für die Überprüfung der Angemessenheit stellt die Rechtsprechung auf die Wohnflächengrenzen des zum 1.1.2002 außer Kraft getretenen 2. Wohnungsbaugesetzes ab, das nach Anzahl der Personen differenziert. Hier ist für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt wird, eine Wohnflächengrenze von 130 m² bestimmt. Diese Grenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 m² pro Person zu reduzieren. Diese Wohnflächengrenzen können jedoch nicht als quasi normative Größen herangezogen werden, sondern bedürfen beim Vorliegen besonderer Umstände einer Anpassung, da Entscheidungsspielraum für außergewöhnliche, vom Regelfall abweichende Bedarfslagen im Einzelfall bestehen bleiben muss. Insbesondere kann im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG bei einer Überschreitung der angemessenen Wohnfläche um nicht mehr als 10 % noch von einer angemessenen Wohnfläche auszugehen sein. Die Wohnfläche des Klägers übersteigt die grundsätzlich maßgebliche Wohnflächengrenze für einen Zweipersonenhaushalt von 90 m² ebenso wie eine um 10 % erhöhte angemessene Wohnfläche von 99 m².
- Im vorliegenden Fall ist nicht von einer offensichtlich unwirtschaftlichen Verwertung auszugehen, so dass ein Vermögensschutz nicht nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II eingreift (Rn 20 f.).
- Schließlich stehen einer Verwertung des Hausgrundstücks auch nicht die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II entgegen (Rn 22 f.).
Nach Auffassung des BSG ist jedoch das Hausgrundstück vorliegend nach der Härteklausel des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II nicht zu berücksichtigen, weil seine Verwertung für den Kläger eine besondere Härte bedeuten würde. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalls, wobei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 S. 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge (§ 12 Abs. 2 SGB II) erfasst werden, von Bedeutung sind. Das Gericht lässt offen, ob und ggf. inwiefern ein absehbarer kurzer Leistungsbezug generell eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II zu begründen vermag. Jedenfalls bei der Verwertung selbstgenutzter Hausgrundstücke können solche Zeitmomente ihrem Nutzungszweck nach nicht außer Betracht bleiben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass selbstgenutzte Hausgrundstücke von angemessener Größe im Anwendungsbereich des SGB II unabhängig von ihrem Wert dem Schonvermögen nicht deshalb zuzurechnen sind, weil die Immobilie als Vermögensgegenstand geschützt werde...