Die Nebentätigkeitsobliegenheit wird bei der verschärften Haftung gegenüber minderjährigen Kindern aus § 1603 Abs. 2 BGB bejaht, soweit der Mindestunterhalt sonst nicht geleistet werden kann (BGH FamRZ 2014, 1992). Eine solche Obliegenheit besteht also grundsätzlich nicht beim Ehegattenunterhalt. Wird eine solche Obliegenheit bejaht, ist es Sache des Unterhaltspflichtigen, darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, warum er keine Nebentätigkeit ausüben kann. Auch zur Höhe des erzielbaren Einkommens muss substantiiert vorgetragen werden.
Fehlt ein solcher substantiierter Sachvortrag, muss der Unterhaltspflichtige damit rechnen, dass das Gericht eine Nebentätigkeitsobliegenheit zu seinen Lasten berechnet und dazu ein erhebliches erzielbares Einkommen gem. § 287 ZPO schätzt.
Praxishinweis:
Der Anwalt des Unterhaltspflichtigen muss in einschlägigen Fällen der verschärften Haftung gegenüber Minderjährigen gem. § 1603 Abs. 2 BGB intensiv die bisherige Erwerbsbiographie sowie die aktuellen Lebens- und Arbeitsverhältnisse seines Mandanten ermitteln. Er ist gehalten, im gerichtlichen Verfahren ganz konkret mit substantiierten Sachverhaltsangaben vorzutragen, ob und ggf. in welchem Umfang dem Unterhaltspflichtigen die Aufnahme einer Nebentätigkeit zumutbar ist. Dabei ist die besondere Lebens- und Arbeitssituation sowie die Gesamtbelastung des Unterhaltspflichtigen gegen die Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten abzuwägen.
Auf folgende Kriterien wird im Rahmen der Zumutbarkeit einer zusätzlichen (am Wochenende oder am Abend auszuübenden) Tätigkeit abzustellen sein:
- tatsächlich anfallende Überstunden,
- wechselnde Arbeitszeiten (Schichtdienst),
- lange Fahrzeiten im Rahmen der bestehenden Erwerbstätigkeit,
- persönliche Gründe (speziell gesundheitliche Aspekte),
- zeitlicher Umfang des Umgangs mit seinen Kindern,
- die Belastung durch die eigene Haushaltstätigkeit.
Dabei sind für die praktische Behandlung des konkreten Einzelfalls folgende Gesichtspunkte von Bedeutung (OLG Dresden FamRZ 2003, 1206; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 1426; BVerfG FamRZ 2003, 661 m. Anm. Christl FamRZ 2003, 1235; OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1207; OLG Hamm FF 2005 156 m. Anm. Schürmann; KG FamRZ 2003, 1208; OLG Bamberg FamRZ 2005, 1114; OLG Bamberg FuR 2005, 520; OLG Oldenburg, FamRZ 2006, 1223):
Zu bewerten sind die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit nach den persönlichen Umständen. Dazu gehören z.B. die Art der Tätigkeit im Hauptberuf und die sich daraus ergebende Belastung wie Nacht-, Schicht- oder Wechseldienst, Sonn- und Feiertagsarbeit, der Zeitaufwand für den Hauptberuf einschließlich der Fahrtzeiten. Auch die Fahrtkosten zur Wohnung haben Bedeutung. Zu prüfen ist, ob und ggf. in welchem Umfang es dem betreffenden Unterhaltsverpflichteten unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie gesundheitlichen Belastung mit der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit auszuüben. Schließlich ist zu prüfen, ob es Nebentätigkeiten entsprechender Art für den Betreffenden überhaupt auf dem Arbeitsmarkt gibt und der Aufnahme einer solchen Tätigkeit wiederum keine rechtlichen Hindernisse entgegenstünden, wobei auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast beim Unterhaltsverpflichteten liegt (BVerfG FamRZ 2003, 661 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1998, 357, 359; BVerfGE 68, 256, 270 = FamRZ 1985, 143).
Beim zeitlichen Umfang einer zuzumutenden Erwerbstätigkeit wird teilweise auf das Arbeitszeitgesetz verwiesen (BGH FamRZ 2011, 1041; FamRZ 2009, 315; FamRZ 2008, 872; BVerfG NJW 2012, 2420).
Praxishinweise:
- Im Grundsatz wird davon ausgegangen, dass eine Nebentätigkeit möglich und zumutbar ist. Die Darlegungslast für das Gegenteil liegt beim Unterhaltspflichtigen.
- Unverzichtbar ist ein dezidierter Sachvortrag zur persönlichen und individuellen Belastungssituation des Unterhaltspflichtigen.
- Andernfalls besteht die Gefahr, mit der Begründung der "nicht hinreichenden Substantiierung" zu unterliegen!