Bei Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehen jedenfalls dann hinreichende Anhaltspunkte für die Existenz eines berechtigten Entschuldigungsgrunds gem. § 74 Abs. 2 OWiG, wenn sich aus ihr etwa aufgrund eines aufgedruckten Diagnoseschlüssels konkrete Anhaltspunkte auf eine dem Erscheinen in der Hauptverhandlung entgegenstehende Erkrankung ergeben (OLG Bamberg DAR 2019, 100; zum (un-)entschuldigten Nichterscheinen im OWi-Verfahren näher Krumm zfs 2019, 132; Burhoff ZAP F. 21, S. 311). Nimmt der Betroffene einen Antrag, ihn von der Pflicht des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung zu entbinden, vor der Hauptverhandlung zurück, darf eine Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG nicht durchgeführt werden (OLG Dresden zfs 2019, 172 m. Anm. Krenberger).
Die Rechtsprechung musste sich in den letzten Jahren mit der sog. Gehörsrügenfalle beschäftigen, bei der ein Entbindungsantrag in einem Schriftsatz des Verteidigers verklausuliert oder optisch versteckt gestellt wird. Das OLG Oldenburg (NJW 2018, 641 = VRR 6/2018, 18 [Deutscher] = NZV 2018, 195 [Krenberger]) und das OLG Düsseldorf (VRR 6/2017, 16/StRR 6/2017, 19 [jew. Kroll]) haben hierin einen Missbrauch prozessualer Rechte gesehen. Zurückhaltender ist das OLG Zweibrücken (zfs 2018, 50 = VRR 12/2018, 18 [Deutscher] = NZV 2018, 587 [Vyvers]): Der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung bedarf keiner Form. Es reicht grundsätzlich aus, wenn der er in einem Schriftstück zum Ausdruck bringt, dass er von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung befreit werden möchte. Allein die ungewöhnliche Einkleidung in ein wörtliches Zitat des Betroffenen innerhalb eines Verteidigerschriftsatzes führt nicht dazu, dass dem AG die Kenntnisnahme unzulässig erschwert worden ist.
Abschließende Hinweise:
Zum bedingten Einverständnis mit dem Beschlussverfahren nach § 72 OWiG OLG Hamburg (zfs 2019, 49 = NZV 2019, 104 [Krumm]). Die nachträglich erklärte Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar, zu dessen Wirksamkeit der Verteidiger nach § 67 Abs. 1 S. 3 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Betroffenen bedarf (OLG Bamberg zfs 2018, 588 m. Anm. Krenberger). Die Wiederaufnahme des Verkehrsbußgeldverfahrens nach § 85 OWiG behandelt Fromm (zfs 2019, 72). Bei fahrlässigem Verkehrsverstoß erfolgt grundsätzlich keine Erhöhung der Geldbuße wegen Uneinsichtigkeit eines Betroffenen (OLG Oldenburg DAR 2019, 162). Zum subjektiven Tatbestand beim Parken in der Umweltzone AG Magdeburg (NZV 2019, 108 [Krenberger]).