§ 24 Abs. 1 WEG gebietet, dass der Verwalter einmal pro Jahr eine Eigentümerversammlung einberuft. In den aktuellen Zeiten behördlicher Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote durch Vereinbarungen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, durch umsetzende Länderverordnungen und darauf basierende Allgemeinverfügungen auch auf kommunaler Ebene sind bis auf Weiteres Wohnungseigentümerversammlungen aus Gründen der öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr für Gesundheit, Leib und Leben verboten. Dadurch werden Bürgerinnen und Bürger im Unterschied zu einem behördlichen Erlass unmittelbar gebunden und zu einem konformen Verhalten verpflichtet. Wie lange dieses Verbot gilt, muss der weiteren pandemischen Infektionsdynamik und ihrer Interpretation durch Virologen, Wirtschaftsforscher und v.a. durch den Staat als vollziehende Gewalt vorbehalten bleiben. Allein dies stellt auch noch kein Problem dar. Denn § 24 Abs. 1 WEG trifft keine näheren zeitlichen Einschränkungen, legt also nicht fest, wann im Jahr die Versammlung vom Verwalter einzuberufen ist. Daraus folgt:
Aktuell muss eine Eigentümerversammlung so lange verschoben werden, bis behördliche Ausgangsbeschränkungen und persönliche Kontaktverbote nicht mehr bestehen.
Sollte dies innerhalb des gesamten Jahres nicht eintreten, bleibt aus öffentlich-rechtlichen Gründen eine Wohnungseigentümerversammlung verboten. Denn öffentliches Gefahrenabwehrrecht dominiert privatrechtliche Rechtsregeln. Der Verwalter begeht selbstverständlich keinen Pflichtverstoß, wenn er entsprechend handelt.
Eine Online-Versammlung, also eine Wohnungseigentümerversammlung per Fernkommunikation, insb. per Video-Chat, ist keine zuverlässige Alternative. Denn sie ist nach dem geltenden WEG nicht vorgesehen. Im Gegenteil geht das Gesetz in § 25 Abs. 3 WEG von den "erschienenen" Wohnungseigentümern aus. Die Vorschrift aus dem Jahre 1951 kennt die Möglichkeit einer Versammlung per Fernkommunikation nicht.
Erst wenn sich öffentlich-rechtlich Lockerungen zeigen und dadurch Wohnungseigentümerversammlungen überhaupt wieder möglich sind, können sich Überlegungen dazu anschließen, inwieweit Risikogruppen unter den Wohnungseigentümern ihre Stimmrechte durch Vollmacht übertragen können, um den Termin nicht selbst wahrnehmen zu müssen. Im Zweifel sollte auch dann von weitreichenderen Sanierungsmaßnahmen oder sonstigen Beschlussthemen mit größerem wirtschaftlichem Hintergrund abgesehen werden. Sie sollten nach Möglichkeit verschoben werden, auch um das Risiko einer Anfechtungsgefahr im Hinblick auf gefasste Beschlüsse zu minimieren.
Ohne eine Wohnungseigentümerversammlung durchzuführen, können Beschlüsse im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden (§ 23 Abs. 3 WEG). Die Praxis zeigt die mangelnde Bedeutung dieser Vorschrift. Denn ein Beschluss kommt im schriftlichen Umlaufverfahren nur zustande, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung schriftlich erklären. Dies ist in den meisten Fällen nicht zu erreichen; sei es aus mangelndem Interesse, aus einem entgegengesetzt geäußerten Abstimmungsverhalten oder aus purer Unwissenheit der beteiligten Wohnungseigentümer.
Die jetzt am 23.3.2020 vom Bundeskabinett beschlossene WEG-Reform (Gesetzentwurf zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) ändert an diesem Beschlussquorum nichts, sondern ersetzt nur die noch aktuelle Schriftform durch die Textform; erlaubt wären damit zukünftig Abstimmungen per E-Mail oder per App. Das hier aufgezeigte Praxisproblem eines gescheiterten Beschlussquorums besteht dadurch aber weiter.