Eine Bürgerin dieses Landes erhält von der Polizeidirektion Chemnitz im Jahre 2013 eine Vorladung, in der ihr eine Rechtsverletzung, nämlich eine Beleidigung, vorgeworfen wird. Sie ist klug genug, einen Verteidiger zu konsultieren, der ein erstes Gespräch führt, was jedoch wenig Aufklärung bringt und sodann – wie üblich – mit Hilfe der erteilten Verteidigervollmacht Akteneinsicht beantragt.
Noch bevor der Verteidiger die Ermittlungsakte erhält, wird das Verfahren – etwa einen Monat später – nach § 170 Abs. 1 StPO eingestellt.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nennenswerte Verteidigungsleistungen nicht erbracht wurden, rechnet der Verteidiger bescheiden die aber nun einmal entstandenen Gebühren (Grundgebühr nach VV 4100 und Verfahrensgebühr nach VV 4104) mit insgesamt 160 EUR netto ab.
Da die Mandantin – aus unerfindlichen Gründen – meint, mit 75 EUR sei alles abgetan, beschreitet unser Verteidiger – wohl noch frohen Mutes – den Gerichtsweg, gerät beim Amtsgericht Freiberg aber an eine wackere Richterin mit Doppelnamen, die die Klage mit der folgenden bemerkenswerten Begründung u.a. abweist:
Zitat
Dem Kläger ist der Nachweis nicht gelungen, dass ihn die Beklagte mit einer umfassenden Strafverteidigung beauftragt hat, die ihn zur Abrechnung gemäß Teil 4, Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG berechtigen würde.
Die am 15.12.2013 von der Beklagten unterzeichnete Vollmacht ist vorformuliert und allgemein gehalten und regelt rechtlich allein die Befugnis des Rechtsanwalts nach außen. Rückschlüsse, in welchem Umfang der Kläger von der Vollmacht Gebrauch zu machen berechtigt war und welche Absprachen zur Geschäftsbesorgung zwischen den Parteien getroffen wurden, lassen sich daraus nicht ziehen.
Bereits diese Ausführungen muss man sich buchstäblich auf der Zunge zergehen lassen. Zwar ist unserer Richterin sicherlich darin Recht zu geben, dass die vom Verteidiger vorgelegte Vollmacht nur das rechtliche Können, nicht aber unbedingt das rechtliche Dürfen belegt. Überfordert war die Richterin allerdings schon damit, der sich aufdrängenden Frage nachzugehen, warum in einem Ermittlungsverfahren die Vollmacht überhaupt unterzeichnet wurde, wenn es doch – wie von der dortigen Beklagten behauptet – nur um eine Beratung gegangen sei. Noch entzückender ist die Hervorhebung, dass die unterzeichnete Vollmacht "vorformuliert und allgemein gehalten" gewesen sei.
Hier stellt sich bereits die Frage, wo diese Richterin ihre Ausbildung eigentlich absolviert hat, wenn es ihr bemerkenswert erscheint, dass Rechtsanwälte mit vorformulierten und allgemein gehaltenen Vollmachten arbeiten. Es dürfte in diesem Lande schwer fallen, Strafprozessvollmachten oder auch andere anwaltliche Vollmachten vorzufinden, die nicht, meistens übrigens auch von einem Verlag, vorformuliert wären.
Nun muss die Unkenntnis von rechtlichen Gepflogenheiten nicht zwangsläufig zu falschen Entscheidungen führen. Wenn ein Gericht dann allerdings den im Detail vorgetragenen Sachverhalt schlichtweg ignoriert, dann kämpfen selbst Anwälte vergebens.
In der bemerkenswerten Entscheidung spekuliert unsere Richterin dann weiter, dass die Entrichtung eines Vorschusses i.H.v. 15 EUR belege, dass das Mandat auf Beratungshilfe ausgerichtet gewesen sei und als reine Beratung hätte unser Verteidiger für seine Mandantin Beratungshilfe in Anspruch nehmen können. Da dies pflichtwidrig nicht geschehen sei, könne er heute auch keine Bezahlung seiner anwaltlichen Mühewaltung verlangen.
So einfach kann also Recht sein!?
Natürlich hatte unser Verteidiger – nach ersten Anfragen und Verfügungen des Gerichts – schon mit zunehmender Verzweiflung – darauf hingewiesen, dass hier aber nun einmal ein (übrigens auch sehr sinnvoller) Verteidigungsauftrag erteilt gewesen sei und dass es lediglich dem Glück der dortigen Mandantin und wohl auch dem Pech des Verteidigers zuzuordnen sei, dass eine Einstellung des Verfahrens noch vor Akteneinsicht stattgefunden habe. Ferner wird zutreffend hervorgehoben, dass man die recht frühzeitige Beendigung des Mandats bei der Höhe der Gebühren berücksichtigt habe.
Wie gewissenhaft unsere Richterin ihren Dienst versieht, wird auch dadurch belegt, dass sie noch unter dem 12.1.2015 sich von der Beklagten vorspiegeln lässt, für das betroffene Mandat sei Beratungshilfe bewilligt worden und insoweit habe der Verteidiger sogar pflichtwidrig über die bereits erwähnten 15 EUR hinweg Honorare von seiner Mandantin vereinnahmt.
Erst auf den zarten Hinweis des Verteidigers hin, dass man schon am Aktenzeichen erkennen könne, dass die Beklagte hier mit gezinkten Karten spielt, versucht die Richterin – wie oben dargestellt – das von ihr unter allen Umständen gewünschte Ergebnis mit einer "neuen Pflichtwidrigkeit" zu begründen, indem sie jetzt dem Verteidiger vorwirft, eben keine Beratungshilfe in Anspruch genommen bzw. hierüber zutreffend beraten zu haben.
Ferner stützt sie ihre Entscheidung darauf, dass der Verteidiger ja gar kein Verteidigungsmandat, sondern allenfalls ein Be...