Verbraucher in Deutschland sollen sich bald leichter zusammenschließen können, um Ansprüche gegen Produkthersteller oder Dienstleister geltend zu machen. Unabhängig von den Bestrebungen der EU-Kommission, Sammelklagen in Europa einzuführen (vgl. dazu ZAP Anwaltsmagazin 10/2018, S. 475), hat das Bundeskabinett in Berlin am 8. Mai beschlossen, Musterfeststellungsklagen zuzulassen.
Sind in einem Fall viele Verbraucher betroffen, so sollen bestimmte Verbände für sie künftig in einem Musterverfahren Grundsatzfragen gerichtlich verbindlich und gebündelt klären lassen können. Das sei vor allem bei sog. Massengeschäften der Fall, wie etwa bei Preiserhöhungen von Banken oder Energielieferanten, aber auch bei unfairen Vertragsklauseln von Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften, so die Begründung der Regierung. Hier seien die Schäden im Einzelfall häufig relativ gering und betroffene Verbraucher schreckten vielfach davor zurück, ihre Ansprüche einzuklagen.
Nur anerkannte und besonders qualifizierte Verbände sollen künftig stellvertretend für Verbraucher gegen ein Unternehmen in einem Musterverfahren klagen können. Betroffene sollen sich dafür in einem Klageregister anmelden.
Laut Begründung der Bundesregierung bringt dies allen Beteiligten Vorteile: Verbraucher können ihre Rechte einfacher durchsetzen und die verklagten Unternehmen erhalten mehr Rechtssicherheit. Strenge Vorgaben bei der Klagebefugnis sollen gewährleisten, dass unseriöse Verbände aus dem In- und Ausland Unternehmen nicht missbräuchlich verklagen.
Die geplante Musterfeststellungsklage soll nur zulässig sein, wenn der klagende Verband glaubhaft macht, dass mindestens zehn Verbraucher betroffen sind. Zudem müssen sich zwei Monate nach der öffentlichen Bekanntmachung der Klage mindestens 50 Verbraucher in einem vom Bundesamt für Justiz geführten Klageregister angemeldet haben. Die Anmeldung, die bis zum ersten Verhandlungstermin möglich ist, soll kostenfrei sein, ein Anwalt muss nicht beauftragt werden.
Im Vergleich zu einer Klage wird der Aufwand eines Betroffenen bei der Anmeldung deshalb deutlich geringer ausfallen, zumal die Anmeldung auch elektronisch erfolgen kann. Die sachliche Zuständigkeit für eine Musterklage wird unabhängig vom Streitwert bei den Landgerichten angesiedelt. Beendet werden kann das Verfahren durch Vergleich oder Urteil. Verfahrenskosten für die betroffenen Verbraucher fallen nicht an. Ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil hat grundsätzlich Bindungswirkung für den im Klageregister angemeldeten Verbraucher und das beklagte Unternehmen.
Anders als bei Sammelklagen nach US-Muster halten die Verbraucher bei der Musterfeststellungsklage am Ende allerdings kein Urteil in den Händen, das ihnen einen Ersatzanspruch bescheinigt. Vielmehr handelt es sich um die Klärung einer zentralen Streitfrage. Ist diese zugunsten der Verbraucher geklärt, erleichtert dies die individuelle Rechtsdurchsetzung erheblich. Ihre individuellen Ansprüche müssen Verbraucher ggf. in einem weiteren Gerichtsverfahren durchsetzen. Das Gesetz soll am 1. November in Kraft treten.
[Quelle: Bundesregierung]