Fehlervermeidung durch Fortbildung!
Im Fokus des diesjährigen Anwaltstags in Mannheim steht ein wichtiges Thema: Fehlerkultur auch in der Rechtspflege! Dass sich der Deutsche Anwaltverein ihm widmet, ist zu begrüßen. Fehler können weder in der Anwaltschaft noch in der Justiz niemals gänzlich ausgeschlossen werden.
Als Organ der Rechtspflege begründet die Anwaltschaft zu ihren Mandanten ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis. Deshalb müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in besonderem Maße dafür Sorge tragen, Fehler zu vermeiden. Die Bundesrechtsanwaltskammer ist aus gutem Grund qua Gesetz verpflichtet, die berufliche Fortbildung der Anwaltschaft zu fördern. Unter anderem im Rahmen der gemeinnützigen Aus- und Fortbildungseinrichtung von Bundesrechtsanwaltskammer, Bundesnotarkammer sowie Rechtsanwalts- und Notarkammern, dem Deutschen Anwaltsinstitut, erhält die Anwaltschaft ein sehr breit gefächertes Angebot an Fortbildungsveranstaltungen.
Doch was nützt das beste Fortbildungsangebot, wenn nicht gewährleistet ist, dass auch alle Berufsträger hierauf regelmäßig zurückgreifen? Auch aus diesem Grund haben sich Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein in der letzten Legislaturperiode mit Nachdruck für die Einführung einer konkretisierten Fortbildungspflicht eingesetzt. Zur Erinnerung: Mit der Vorschrift des § 43a BRAO hat sich der Gesetzgeber vor inzwischen fast 25 Jahren darauf beschränkt, nur eine generelle Fortbildungspflicht zu postulieren, ohne diese näher auszugestalten. Das war schon damals zu wenig und ist es heute erst recht. Die sich stetig verändernden Wettbewerbsbedingungen machen auch in unserem Berufsstand Qualitätssicherung und -steigerung zu einem zentralen Erfordernis, was sich besonders deutlich im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Legal Tech-Geschäftsmodelle zeigt, die mit klassischen anwaltlichen Dienstleistungen konkurrieren. Allgemein steigende Erwartungen der Mandanten an die Beratungsqualität kommen hinzu.
Mit einem im Jahre 2016 vorgelegten Gesetzentwurf wollte die Bundesregierung erfreulicherweise der Satzungsversammlung die Kompetenz einräumen, in unserer Berufsordnung eine Konkretisierung der Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte vorzusehen. Sie hatte sich die Argumentation der Anwaltsorganisationen und der Satzungsversammlung zu eigen gemacht und zum Ausdruck gebracht, dass eine nähere Regelung der allgemeinen Fortbildungspflicht inzwischen auch erforderlich sei, um die Qualität der anwaltlichen Tätigkeit im einzelnen Mandat im Gesamtsystem der berufsrechtlichen Stellung der Anwaltschaft zu sichern. Nur eine auf Dauer angelegte systemische Absicherung der Qualität rechtfertige auch das Anwaltsmonopol und den grundsätzlichen Ausschluss anderer Dienstleister vom Rechtsdienstleistungsmarkt. Denn das BVerfG und der EuGH schenken bekanntlich dem Kohärenzprinzip bei der Frage der Notwendigkeit und Ausgestaltung berufsrechtlicher Regulierung eine besondere Beachtung. Es genügt deshalb nicht, Qualität lediglich beim Zugang zur Anwaltschaft systemisch abzusichern. Sie muss vielmehr systemisch für die gesamte Dauer der Tätigkeit des einzelnen Rechtsanwalts gewährleistet sein. Deutschland wäre mit einer Änderung in diesem Bereich übrigens nicht allein. Mittlerweile gibt es eine in Umfang und Inhalt konkretisierte allgemeine Fortbildungspflicht für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in insgesamt 18 europäischen Staaten.
Ich bin deshalb nach wie vor der Auffassung, dass wir eine Ermächtigung für unsere Satzungsversammlung brauchen, die gesetzliche Fortbildungspflicht, der wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterliegen, näher auszugestalten. Und ich hoffe sehr, dass unser Vorschlag in dieser Legislaturperiode von Rechtspolitikern aller Fraktionen rasch aufgegriffen und die Diskussion zur anwaltlichen Qualitätssicherung fortgesetzt wird. Denn die beste Fehlerkultur ist die Fehlervermeidung!
Autor: Rechtsanwalt Ekkehart Schäfer, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer
ZAP F., S. 527–528