1 Widerrufsrecht: Messe-Stand als beweglicher Geschäftsraum?
Im letzten Internetreport (s. ZAP 14/2017, S. 725) hatten wir über Entscheidungen berichtet, in denen es um die Fragestellung ging, ob bei einem Kauf auf einem Messestand ein Verbraucher-Widerrufsrecht besteht. Sowohl das OLG München (Urt. v. 15.3.2017 – 3 U 3561/16) als auch das OLG Karlsruhe (Urt. v. 10.6.2016 – 4 U 217/15) hatten entschieden, dass kein Widerrufsrecht besteht. Diese Fragestellung hat zuletzt auch den BGH beschäftigt. Grundlage ist die Regelung des § 312b Abs. 2 S. 1 BGB, die bestimmt, was "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge" sind. Geschäftsräume in diesem Sinne sind solche, in denen Unternehmer ihre Tätigkeit dauerhaft ausüben, sowie bewegliche Gewerberäume, in denen Unternehmer ihre Tätigkeit für gewöhnlich ausüben. Die Regelung basiert auf der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011. Anders als das OLG München und das OLG Karlsruhe entschied der BGH diese Fragestellung nicht, sondern legte dem EuGH verschiedene Vorlagefragen vor (Urt. v. 13.7.2017 – I ZR 135/16). Kernaspekt dieser aktuellen Vorlage ist die Fragestellung, ob ein Messestand in einer Halle, den ein Unternehmen während einer für wenige Tage stattfindenden Messe nutzt, einen unbeweglichen oder einen beweglichen Gewerberaum darstellt. Eine abschließende Entscheidung steht noch aus.
2 Widerrufsbelehrung: Fehlende E-Mail-Adresse und Telefonnummer als Wettbewerbsverstoß?
Nach den Gestaltungshinweisen zu der seit dem 13.6.2014 geltenden amtlichen Widerrufsbelehrung sind Angaben über Telefon-, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse im Rahmen der Widerrufsbelehrung vorzuhalten, sofern eine Telefon-, Telefaxnummer oder E-Mail-Adresse "verfügbar" ist. Ob diese Kommunikationswege bereitstehen, ist im Regelfall aus den Angaben im Impressum bzw. den "Rechtlichen Informationen des Verkäufers" (bei eBay) zu erkennen. Sollte nach den Angaben bspw. eine Telefonnummer "verfügbar" sein, welche jedoch nicht in der Widerrufsbelehrung genannt ist, stellt dies nach Ansicht des LG Bochum (Urt. v. 6.8.2014 – 13 O 102/14) einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. §§ 3, 3a UWG dar (ebenso: LG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.12.2017 – 3-06 O 124/17; LG Köln, Beschl. v. 7.7.2017 – 81 O 73/17). Das LG Bochum hatte zu entscheiden, ob dies auch dann gilt, wenn eine E-Mail-Adresse zwar vorhanden, jedoch in der Widerrufsbelehrung nicht angegeben ist (Versäumnisurt. v. 13.7.2017 – 15 O 78/17). Das LG Bochum hat das bejaht.
3 Widerrufsrecht: Ausschluss bei Online-Matratzen-Kauf?
Nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird. Vor diesem Hintergrund hatte das LG Düsseldorf (Urt. v. 14.9.2016 – 12 O 357/15) entschieden, dass WC-Sitze gereinigt und desinfiziert werden könnten, so dass bei dem Erwerb von WC-Sitzen ein Widerrufsrecht bestehe. Der BGH hatte sich mit folgender Thematik zu beschäftigen (BGH, EuGH-Vorlage v. 15.11.2017 – VIII ZR 194/16): Der Kläger verlangte nach erklärtem Widerruf infolge des Erwerbs einer Matratze Speditionskosten i.H.v. 95,59 EUR für die Rücksendung. Der Verkäufer erstattete diese nicht. Vor Erklärung des Widerrufs hatte der Käufer die mit einer Schutzfolie verpackte Matratze ausgepackt. Der BGH musste nun entscheiden, ob es sich bei einer mit einer Schutzfolie verpackten Matratze um eine versiegelte Ware i.S.d. § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB handelt und – wenn ja – ob das Entfernen der Schutzfolie die weiteren Voraussetzungen dieser Norm erfüllt. Das LG Mainz (Az. 3 S 191/15) hatte in der Vorinstanz ein Widerrufsrecht bejaht: Hygienische Gründe stünden einer Wiederveräußerung der Matratze nicht entgegen, da eine Matratze gereinigt werden könne. Der Verkäufer sah dies anders. Der BGH hielt beide Rechtspositionen für vertretbar. Da § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auf der sog. EU-Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU basiert, deutete er in der mündlichen Verhandlung im August 2017 an, dass er die Fragestellungen dem EuGH zur Vorab-Entscheidung vorlegen wird.
4 Wettbewerbsverstoß: Zulässigkeit einer Rechtswahlklausel
In AGB befindet sich häufig die Regelung "Es gilt deutsches Recht". In einem vom LG Bochum entschiedenen Sachverhalt hatte ein Händler die Formulierung "Auf Verträge zwischen dem Anbieter und dem Kunden findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des UN-Kaufrechts sowie des internationalen Privatrechts Anwendung." verwendet. Bei diesem Satz handelt es sich um die Langfassung des Satzes "Es gilt deutsches Recht". Das LG Bochum entschied, dass diese Langfassung wettbewerbswidrig ist (Versäumnisurt. v. 13.7.2017 – 15 O 78/17; vgl. auch: LG Stuttgart, Beschl. v. 7.12.2017 – 36 O 104/17 KfH). Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 (sog. ROM-I-Verordnung) unterliegt ein Verbrauchervertrag grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt, d.h. seinen Wohnsitz, hat, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Ist die Website eines Händlers in deutscher Sprache gestaltet, wendet er sich a...