Das BSG hatte darüber zu entscheiden, ob Lohnzahlungen während Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung für die Höhe des Arbeitslosengelds relevant sind, (BSG, Urt. v. 30.8.2018 – B 11 AL 15/17 R, hierzu Reichenberger NZA 2019, 87). Die als Arzthelferin und Kinderkrankenschwester tätige Klägerin vereinbarte durch Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.4.2012, gleichzeitig die unwiderrufliche Freistellung von ihrer Arbeitsleistung ab dem 1.5.2011. Während des Freistellungszeitraums zahlte die Arbeitgeberin die monatliche Vergütung weiter. Die Klägerin verpflichtete sich in dieser Zeit dazu, unentgeltlich zur Beantwortung von Fragen sowie zur Erteilung von Informationen zur Verfügung zu stehen. Sie bezog sodann vom 23.3.2012 bis zum 24.3.2013 Krankentagegeld und meldete sich am 20.3.2013 zum 25.3.2013 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Parteien streiten über die Höhe des Anspruchs.
Der Anspruch besteht dem Grunde nach, die Voraussetzungen der §§ 136 ff. SGB III sind erfüllt, insbesondere die für die Anwartschaftszeit. Insofern ist erforderlich, dass innerhalb der Rahmenfrist des § 143 SGB III (zwei Jahre) mindestens zwölf Monate Pflichtversicherungszeiten vorliegen, § 142 Abs. 1 S. 1 SGB III. Für den Zeitraum bis zum 30.4.2011 ergab sich dies aus der Beschäftigung der Klägerin (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III). Das aus der Beschäftigung folgende Versicherungspflichtverhältnis bestand auch während des Freistellungszeitraums (1.5.2011 bis 30.4.2012) fort. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BSG, wonach das Pflichtversicherungsverhältnis wegen einer Beschäftigung i.S.v. § 24 Abs. 1 Alt. 1 SGB III bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts fortbesteht, auch wenn der Arbeitnehmer die tatsächliche Beschäftigung bereits aufgegeben hat und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich und unwiderruflich freigestellt ist (s. BSG, Urt. v. 11.12.2014 – B 11 AL 2/14 R, Rn 20). Zeitlich nachfolgend bestand ein Versicherungspflichtverhältnis aufgrund des Bezugs von Krankentagegeld gem. §§ 24 Abs. 1 u. 4, 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III.
Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach § 149 SGB III, der auf das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt, s. § 153 SGB III) abstellt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt und von den Arbeitslosen im Bemessungszeitraum erzielt worden ist (Bemessungsentgelt, s. § 151 SGB III).
Gemäß § 150 Abs. 1 S. 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Dieser beläuft sich nach näherer Maßgabe der Vorschrift des § 150 Abs. 1 S. 2 SGB III grundsätzlich ein Jahr, er wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, § 150 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahren erweiterten Bemessungsrahmen nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, § 152 Abs. 1 S. 3 SGB III. Dieses richtet sich nach einer der in § 152 Abs. 2 SGB III angeführten vier Qualifikationsgruppen und ist oft ungünstiger als die Bemessung nach dem tatsächlich erzielten Entgelt. Die Beklagte ließ vorliegend bei der Bemessung die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht. Da sich dann ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von weniger als 150 Tagen im erweiterten Bemessungsrahmen ergab, bewilligte sie aufgrund fiktiver Bemessung ein Arbeitslosengeld i.H.v. 28,76 EUR. täglich. Das Berufungsgericht hat der Klägerin unter Zugrundelegung des tatsächlichen Entgelts einen Anspruch i.H.v. 58,41 EUR täglich zugesprochen und die Revision zugelassen. Diese blieb erfolglos.
Der Begriff "Beschäftigungsverhältnis" ist funktionsdifferenziert (sachbezogen nach Stellung und Aufgabe der Regelung in der Rechtsordnung), d.h. im Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung unabhängig (und oft anders) auszulegen als z.B. im Beitragsrecht oder im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht. Die Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinn (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) ist unabhängig von dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts. Maßgeblich ist die tatsächliche Nichtbeschäftigung (s. BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01 R). Das BSG widerspricht der Entscheidung des LSG zwar insoweit, als dieses im konkreten Einzelfall trotz der vereinbarten Freistellung ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angenommen hat, weil die Klägerin in dieser Phase zur Beantwortung von Fragen etc. zur Verfügung stehen sollte. Diese Vereinbarung betrifft nicht die vertraglich geschuldete Pflicht zur Arbeitsleistung als Arzthelferin und Krankenschwester. Ein Austausch von Ha...