Hat sich der Angeklagte durch frühere Verurteilungen nicht beeindrucken lassen, kann dies die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe begründen. Gleiches gilt, wenn der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand oder wenn es in der Vergangenheit bereits zu Haftaufenthalten kam, es sei denn, der Angeklagte hat zwischen der Begehung und der Aburteilung seiner Tat erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt. Eine gegenwärtige Hafterfahrung kann einen Umstand darstellen, der den Angeklagten nachhaltig beeindruckt und einen positiven Effekt auf sein künftiges Leben sowie seine Einstellung zur Rechtsordnung ausüben kann (OLG Köln NStZ-RR 2007, 22). Bei Ersttätern fehlt es i.d.R. an der Unerlässlichkeit der Freiheitsstrafe, jedenfalls aber sind die Anforderungen an die Begründung bei Vorstrafenfreiheit nochmals erhöht (OLG Köln NJW 2001, 3491).
Es gibt aber keinen Automatismus dahingehend, dass bei einem vorbestraften Angeklagten stets Freiheitsstrafe zu verhängen ist; den Vorstrafen darf im Rahmen der Gesamtabwägung kein unangemessenes Gewicht beigemessen werden (OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825). Hier liegt eine der häufigsten Fehlerquellen im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 StGB.
Insbesondere kann es gegen die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe sprechen, wenn nach der Tatbegehung eine positive Entwicklung eingetreten ist (Stabilisierung der Lebenssituation, neuer Arbeitsplatz oder erfolgreiche Therapie bei Suchtproblematik) und/oder die früheren Taten bereits länger zurückliegen. Die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe ist daher auch bei vorbestraften Tätern immer anhand der konkreten Einzelfallumstände zu begründen. Insbesondere eine nicht einschlägige Vorstrafe wird eine Freiheitsstrafe nur selten ohne weiteres unerlässlich machen (Fischer, § 47 Rn 11), erst Recht, wenn sie lediglich mit einer Geldstrafe im unteren Bereich geahndet oder nur fahrlässig begangen wurde.
Hinweis:
Im Urteil darf sich das Gericht nicht mit einem formelhaften Verweis darauf begnügen, dass der Angeklagte bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Stattdessen ist konkret darzulegen, weshalb gerade die Vorstrafen die Verhängung von Freiheitsstrafe unerlässlich machen (bei wiederholter Rückfälligkeit können an die Begründungspflicht aber geringere Anforderungen zu stellen sein, OLG Köln NStZ 2003, 421). In der Regel sind auch die den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte mitzuteilen (OLG Karlsruhe StV 2005, 275).