Die Interessensvertretungen der Anwaltschaft sind uneins darüber, ob es in Zeiten der Pandemie einer befristeten Sonderregelung bedarf, damit Anwälte in finanzieller Not nicht allein wegen der Corona-Krise ihre Zulassung verlieren.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist genau dieser Auffassung. So hatte sich DAV-Präsidentin Edith Kindermann im April an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und mehrere Bundestagsfraktionen gewandt. Sie argumentierte, dass durch die Corona-Pandemie neben Leben und Gesundheit der Menschen auch die wirtschaftliche und berufliche Existenz vieler Freiberufler gefährdet sei. Anwälten drohe sogar nach § 14 BRAO der Verlust der Zulassung wegen Vermögensverfalls, ohne dass es auf ein Verschulden ankomme. Auch die Rechtsprechung sei hier sehr rigide. Es bedürfe daher einer Regelung, die Rechtsanwälte vor einem Zulassungsverlust allein aufgrund finanzieller Engpässe wegen der Corona-Krise schütze. Der DAV schlägt eine Gesetzesänderung vor, die § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO bis Ende 2021 aussetzt, wenn betroffene Anwälte nachweisen können, dass ihre finanzielle Situation auf "Corona-bedingte" Umstände nach dem 7.3.2020 zurückzuführen’ist.
Diesem Vorstoß ist umgehend die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass die aktuelle Pandemie keine Ausnahmen von den gesetzlichen Regelungen über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls erfordere. BRAK-Präsident Ulrich Wessels wandte sich ebenfalls mit einem Schreiben an die Bundesjustizministerin und argumentierte, dass der mit dem Zulassungswiderruf bezweckte Schutz der Mandanteninteressen gerade in Krisenzeiten nicht ausgehebelt werden dürfe; zudem wäre der Anwaltschaft mit kurz- und mittelfristig greifenden Liquiditätshilfen sehr viel besser geholfen. Der BRAK sei gegenwärtig kein einziger Fall eines Corona-bedingten Zulassungswiderrufs bei den regionalen Kammern bekannt. Im Jahr 2018 seien’bundesweit überhaupt nur 49 Ausschließungen aus der Anwaltschaft erfasst worden. Es sei deshalb keinerlei Notwendigkeit ersichtlich, in einer Art "Kurzschlussreaktion" sachgerechte Regelungen zu ändern oder zu ergänzen.
Mit dieser Argumentation scheint sich die BRAK in Berlin durchgesetzt zu haben. Im Mai hat sich der Rechtsausschuss des Bundestags gegen den Vorschlag des DAV ausgesprochen. Auch die Bundesjustizministerin sieht vorläufig keinen Handlungsbedarf und teilte inzwischen mit, dass § 14 BRAO aus ihrer Sicht keiner Änderung bedürfe. Zugleich verweist die Ministerin auf die bereits durch die Bundesregierung beschlossenen Liquiditätshilfen und steuerliche Erleichterungen, die auch Anwälte und Anwältinnen nutzen könnten. Weitere Maßnahmen würden zudem fortlaufend geprüft.
[Quellen: BRAK/DAV]