Der Arbeitsausfall darf nur vorübergehend (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) und muss unvermeidbar sein. Vorübergehend ist der Arbeitsausfall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass binnen absehbarer Zeit zur Vollarbeit zurückgekehrt wird. Orientierungspunkt ist dabei die in § 104 Abs. 1 S. 1 SGB vorgesehene gesetzliche Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds von zwölf Monaten (bzw. bis zu 24 Monaten).
In der Praxis ist häufig die Frage der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls relevant (§ 96 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 SGB III). Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, wie z.B. Vorziehen notwendiger Arbeiten, aber auch (die zulässige) Umsetzung von (Kurz-)Arbeitnehmern in vollarbeitende Betriebsabteilungen, um den Arbeitsausfall zu vermeiden. Zu denken ist z.B. auch an eine aus der jüngsten Praxis bekannte Umstellung der Produktion von Bekleidung auf Mundschutzmasken oder von Kosmetik auf Desinfektionsmittel.
Praxisrelevant für die Voraussetzung der Unvermeidbarkeit ist v.a. die Frage, ob vorrangig Urlaub zu gewähren ist oder Arbeitszeitguthaben bzw. Überstunden abzubauen sind.
a) Urlaub
Gemäß § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III ist Kurzarbeit durch die Gewährung von bezahltem Urlaub zu vermeiden. Es ist jedoch zu differenzieren: Resturlaub aus dem Vorjahr ist nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.3.2020 vorrangig einzubringen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Frage nach Einbringung von Resturlaub nunmehr wegen des Fristablaufs zum 31.3.2020 gem. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG kaum noch stellt. Laufende Urlaubsansprüche sind zur Vermeidung von Kurzarbeit – jedenfalls bis zum 31.12.2020 nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.3.2020 – nicht einzubringen. Dies dürfte aber auch ansonsten gelten, da Arbeitgeber gem. § 7 Abs. 1 BUrlG bzw. § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen haben, soweit dem dringende betriebliche Belange nicht entgegenstehen und diese überwiegen. Dringende betriebliche Belange sind grds. Umstände, die in der betrieblichen Organisation, im technischen Arbeitsablauf, der Auftragslage oder ähnlichen Umständen ihren Grund haben. Nicht ausreichend für die Anordnung von Zwangsurlaub sind jedoch ein kurzfristiger Auftragsmangel oder Betriebsablaufstörungen. Dieses sog. Betriebsrisiko darf nicht durch eine einseitige Urlaubsanordnung auf Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Hinweis:
Eine einseitige Anordnung von Betriebsferien (in einem betriebsratslosen Betrieb) durch den Arbeitgeber ist ebenfalls nur unter den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 BUrlG möglich. Auch hierfür müssen dringende betriebliche Belange vorliegen. Sind diese betrieblichen Belange gegeben, kann der Arbeitgeber allerdings von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen – und über die Wünsche der Arbeitnehmer hinweggehen. Hinzukommt, dass Betriebsferien nur unter Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist angeordnet werden dürfen. Außerdem muss den Arbeitnehmern noch ein wesentlicher Teil des Jahresurlaubs frei verplanbar bleiben. So wurde bislang eine Verteilung von 3/5 Betriebsurlaub und 2/5 individueller Urlaub als zulässig erachtet (BAG, Beschl. v. 28.7.1981 – 1 ABR 79/79, NJW 1982, 959).
Ist allerdings der Urlaub schon zeitlich festgelegt, kann der Arbeitgeber den Urlaub nicht rückgängig machen. Der Urlaub muss zur Vermeidung der Kurzarbeit nicht eingesetzt werden, die Kurzarbeit ist nicht deswegen vermeidbar.
Beachte:
Arbeitnehmer behalten bei Urlaub während der Kurzarbeit ihren ungekürzten Urlaubsentgeltanspruch. Die finanzielle Belastung für den Arbeitgeber ist daher größer als bei der Kurzarbeit. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG bleiben Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Das heißt, zuvor angeordnete Kurzarbeit hat keine Auswirkungen auf die Höhe des Urlaubsentgelts, das der Arbeitnehmer während eines Urlaubs bezieht, der auf die Kurzarbeit folgt (EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17, NZA 2019, 47).
b) Abbau von Arbeitszeitguthaben bzw. Überstunden
Nach § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III müssen Arbeitszeitguthaben und Überstunden zunächst abgebaut werden, bevor Kurzarbeit angeordnet werden kann. Andernfalls ist der Arbeitsausfall vermeidbar. Anders als Urlaub kann der Arbeitgeber den Abbau von Arbeitszeitguthaben i.d.R. einseitig anordnen. Zudem sieht § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III bestimmte Ausnahmen für geschützte Arbeitszeitguthaben vor. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass in allen übrigen Fällen Arbeitszeitguthaben abzubauen ist.
Hinweis:
Entgegen § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III sind derzeit nicht vorrangig negative Arbeitszeitsalden aufzubauen! Vor der Beantragung von Kurzarbeit müssen Mitarbeiter damit zumindest bis zum 31.12.2020 nicht mehr angewiesen werden, Minusstunden aufzubauen, selbst wenn das rechtlich möglich wäre.