Im Hinblick auf Kaffeekapseln hatte der BGH (Urt. v. 28.3.2019 – I ZR 85/18) entschieden, dass die Kapsel und der darin enthaltene Kaffee kein zusammengesetztes Angebot bilden. Damit liege kein Ausnahmetatbestand i.S.d. § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV vor. Aufgrund dessen ist der Grundpreis je 100 g oder je kg des in den Kapseln enthaltenen Kaffees anzugeben.
Bei der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform besteht nach Ansicht des OLG Celle hingegen keine Pflicht zur Angabe des’Grundpreises (Urt. v. 9.7.2019 – 13 U 31/19; ebenso OLG Köln, Urt. v. 26.3.2019 – 6 W 26/19). Ein Nahrungsergänzungsmittel, das sich aus verschiedenen Komponenten, insb. verschiedenen Wirk- und Füllstoffen, zusammensetzt und das in dieser konkreten Zusammensetzung in einer Art und Weise vorportioniert vertrieben wird, dass diese Einteilung in Portionen üblicherweise nicht aufgehoben wird, wird nach Ansicht des OLG Celle gemäß der Verkehrsanschauung stückweise abgegeben. Anders als bei Kaffeekapseln könnte auch nicht zwischen dem Kapselinhalt (als’Lebensmittel) und der Kapsel selbst (als bloßer Verpackung) unterschieden werden, weil bei Nahrungsergänzungsmitteln auch die Kapsel selbst mitverzehrt werde.
Das OLG Düsseldorf vertrat in einem Urt. v. 15.8.2019 – 15 U 55/19 – eine gegenteilige Sichtweise. Dem dortigen Verfügungsbeklagten wurde verboten, "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an den Letztverbraucher gerichteten Werbung im Internet für den Fernabsatz von Fertigpackungen mit Nahrungsergänzungsmitteln unter Angabe von Preisen zu werben, ohne in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis auch den Grundpreis anzugeben".
Ebenso wie das OLG Celle hat sich das OLG Düsseldorf mit der Regelung des Art. 23 Abs. 3’Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) i.V.m. deren Anhang IX, Nr. 1c, beschäftigt. Nach dieser Regelung ist die Angabe der Nettofüllmenge – und damit letztlich die Angabe des Grundpreises nach § 2 Abs. 1 PAngV – nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahl in den Verkehr gebracht werden. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf lässt sich nicht feststellen, dass dieser Ausnahmetatbestand im vorliegenden Fall anwendbar ist. Die Frage, ob ein Lebensmittel i.S.d. Ausnahmetatbestands "normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr" gebracht werde, beurteile sich nach der Verkehrsauffassung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers. Erfasst seien "stückige" Produkte, wie Obst und Gemüse, Eier, aber auch Backwaren, mithin Produkte, bei denen aus Sicht der Verbraucher das Stück die "natürliche" Mengeneinheit bilde. Im Hinblick auf Aminosäureprodukte stellte das Gericht jedoch fest:
"Dass bezüglich Aminosäureprodukten die Verkehrsauffassung besteht, dass es normalerweise nach Stückzahl’in den Verkehr gebracht wird, hat die Verfügungsbeklagte nicht behauptet. Es ist vielmehr unstreitig, dass Aminosäureprodukte dem Endverbraucher in verschiedenen Formen, z.B. als Pulver, Liquid, Tablette oder Kapsel, angeboten werden und in den Verkehr gelangen. Eine ‘natürliche’ Mengeneinheit eines Aminosäureproduktes gibt es nicht."
Das LG Düsseldorf hat sich dieser Ansicht des OLG Düsseldorf angeschlossen (Urt. v. 22.11.2019 – 38’O 110/19).
Soweit diesseits bekannt, handelte es sich bei den’Entscheidungen des OLG Celle, des OLG Köln und’des OLG Düsseldorf um im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidungen. Das Urteil des LG Düsseldorf soll im Hauptsacheverfahren ergangen sein. Es bleibt damit abzuwarten, ob in dem letztgenannten Verfahren die Möglichkeit zur höchstrichterlichen Entscheidung bestehen wird.